
EU-Gipfel ringt um gemeinsame Linie gegenüber Russland

Angesichts der massiven Spannungen mit Russland haben die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel um eine gemeinsame Linie gerungen. Während baltische Staaten und Polen am Donnerstag das deutsch-russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2 kritisierten und auf Sanktionen pochten, sprachen sich etwa Luxemburg und Österreich für mehr Dialog mit Moskau aus. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte entschiedene Unterstützung für die Ukraine an, blieb bei konkreten Schritten zunächst aber vage.
Die EU werde für die Ukraine alles tun, "damit es bei der Unverletzbarkeit der Grenze bleibt", sagte Scholz bei seinem ersten regulären EU-Gipfel. In einem Entwurf für die gemeinsame Gipfelerklärung ist von "massiven Konsequenzen" die Rede, sollte Russland die Ukraine angreifen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte, ein Angriff würde "höhere politische und wirtschaftliche Kosten" nach sich ziehen als die nach der Annexion der Krim 2014 verhängten Sanktionen.
Die Ukraine, aber auch EU-Länder wie Polen, Litauen und Lettland fordern darüber hinaus von Deutschland, die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 als Druckmittel gegen Russland einzusetzen. Der lettische Regierungschef Krisjanis Karins warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, die Erdgasleitung zur "Erpressung" der EU zu nutzen.
Finnlands Regierungschefin Sanna Marin hingegen lehnte eine Verknüpfung von Nord Stream 2 mit der Ukraine-Frage ab: Es sei wichtig, "die Energiepolitik aus dem Konflikt herauszuhalten", sagte sie. Scholz äußerte sich zunächst nicht zu dem Thema.
Österreichs Kanzler Karl Nehammer hatte sich zuvor für eine rasche Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline ausgesprochen - neben Deutschland ist auch Österreich auf russisches Erdgas angewiesen. Nehammer sprach sich nun zudem für "Dialog" mit Russland aus, um zu "zeigen, dass es keinen Sinn macht, Politik mit Gewalt zu machen".
Nehammer lobte dabei die deutsch-französische Vermittlungsinitiative. Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten sich am Mittwoch mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj auf weitere Dreiertreffen verständigt, solange Putin nicht zu Verhandlungen im sogenannten Normandie-Format zu viert bereit ist.
Selenskyj verweilte am Donnerstag ebenfalls in Brüssel, wo er Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg traf. Stoltenberg bekannte sich zur Partnerschaft des westlichen Militärbündnisses mit der Ukraine und wies Russlands Forderung zurück, die ukrainische Nato-Beitrittsperspektive formell ad acta zu legen.
Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel äußerte sich skeptisch zu Dreiergesprächen mit der Ukraine aber ohne Russland, denn es sei schwierig, ohne die beteiligten Akteure zu Lösungen zu kommen "Wir müssen mit Russland sprechen", unterstrich er. Auch neue Sanktionen lehnte er ab. Auf diesem Weg sei jahrelang nur wenig erreicht worden.
Er könne sich hingegen eine gemeinsame Antwort der EU auf den Mord im Berliner Tiergarten vorstellen, sagte der Luxemburger. Die deutsche Justiz macht staatliche Stellen in Russland für den Mord verantwortlich. Bettel verwies auf den Fall des Giftanschlags auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal in Großbritannien in 2018. Die EU hatte später Sanktionen unter anderem gegen die Führung des russischen Militärgeheimdienstes GRU verhängt.
Bei den Gipfelberatungen in Brüssel ging es zunächst um die Corona-Pandemie und den Umgang mit der hoch ansteckenden Omikron-Variante. Die 27 Länder wollen hier auf beschleunigte Auffrischungsimpfungen setzen. "Impfungen für alle anzubieten und Booster-Dosen bereitzustellen, ist entscheidend und dringend", heißt es in gemeinsamen Schlussfolgerungen. Eine Impfpflicht in der EU zeichnet sich hingegen bislang nicht ab. Weitere Themen des Treffens sind die hohen Energiepreise und der Konflikt um Flüchtlinge mit Belarus.
(L. Brown--BTZ)