Berliner Tageszeitung - Urteil im NSU-Komplex insgesamt rechtskräftig

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Urteil im NSU-Komplex insgesamt rechtskräftig




Urteil im NSU-Komplex insgesamt rechtskräftig
Urteil im NSU-Komplex insgesamt rechtskräftig / Foto: © AFP

Das Urteil im NSU-Komplex ist insgesamt rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies am Mittwoch in Karlsruhe die Revisionen des Generalbundesanwalts und des Angeklagten André E. gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts München zurück. Im August hatte er schon die Hafturteile gegen Beate Zschäpe sowie die NSU-Helfer Ralf Wohlleben und Holger G. bestätigt, das Urteil gegen den fünften Angeklagten Carsten S. ist ebenfalls bereits rechtskräftig. (Az. 3 StR 441/20)

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Die rechtsextreme Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) beging jahrelang Bombenanschläge und Raubüberfälle und ermordete insgesamt zehn Menschen, bis sie Ende 2011 aufflog. E., der seit 1998 mit den drei NSU-Mitgliedern bekannt war, wurde in München im Juli 2018 zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Von der Beihilfe zum versuchten Mord sprach ihn das Oberlandesgericht aber frei.

Es war nicht davon überzeugt, dass E. von den Morden des NSU wusste, als er Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos half. Gegen das Urteil legte sowohl der Angeklagte selbst Revision ein - der einen Freispruch forderte - als auch der Generalbundesanwalt, der eine härtere Strafe erreichen wollte.

Der BGH wertet bei Revisionen nicht selbst Beweise aus, sondern überprüft das Urteil der Vorinstanz. In der Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts fand er keine Rechtsfehler. Darum sei die Entscheidung hinzunehmen, erklärte der Vorsitzende Richter Jürgen Schäfer in Karlsruhe. Nur das Tatgericht nämlich - in dem Fall also das Oberlandesgericht - hat die Aufgabe, sich ein Urteil über die Schuld eines Angeklagten zu bilden.

Schäfer betonte bei der Urteilsverkündung, der NSU habe bei vielen Menschen "größtes Leid verursacht". E. teilte die rechtsextreme Gesinnung und war seit 1998 mit den drei im Untergrund lebenden Mitgliedern bekannt und später auch befreundet. Er half ihnen bei verschiedenen Gelegenheiten und mietete beispielsweise eine Wohnung unter seinem Namen für sie.

In den Jahren 2000 und 2003 mietete er insgesamt drei Wohnmobile, mit denen Böhnhardt und Mundlos zu zwei Überfällen auf eine Sparkassen- und eine Postfiliale in Chemnitz sowie zu einem Sprengstoffattentat in Köln fuhren. Das Münchner Gericht war aber nicht sicher, dass er damals schon damit rechnete, dass er damit die Begehung solcher Taten fördere. Erst im August 2006 sei die Bekanntschaft zu einer Freundschaft geworden. E. habe seitdem damit gerechnet, dass die drei zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts Raubüberfälle begingen.

Im Dezember 2007 lud die Polizei in Zwickau Zschäpe zur Zeugenvernehmung wegen eines Wasserschadens in einer darüber liegenden Wohnung. E. begleitete sie zur Wache und gab ihr den Personalausweis seiner Frau Susann, als die sie sich ausgab. Dadurch habe er sich als so vertrauenswürdig erwiesen, dass der NSU ihm von seinen Mordanschlägen erzählte, nahm das Oberlandesgericht an. Trotzdem half er ihnen weiter, wofür er schließlich verurteilt wurde. 2009 nämlich beschaffte er ihnen zwei Bahncards auf seinen Namen und den seiner Frau.

Das Münchner Gericht wertete dies als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, was der BGH bestätigte. Dass sie zu einem reduzierten Preis Zug fahren und sich mit der Bahncard auch behelfsmäßig ausweisen konnten, sei für den NSU "zweifellos nützlich" gewesen, sagte Schäfer. Es gebe keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten in dem Urteil, auch der Teilfreispruch halte einer Nachprüfung stand. Damit ist der jahrelange Prozess abgeschlossen.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte zur BGH-Entscheidung, es würden üblicherweise keine Urteile unabhängiger Richter kommentiert. Grundsätzlich habe die Aufarbeitung des NSU-Terrors diese und die vorherige Bundesregierung intensiv beschäftigt. "Gleichzeitig gibt es einen Rechtsweg, der unabhängig ist und unbeeinflusst von der Politik."

(W. Winogradow--BTZ)