Ukrainische Armee zieht sich aus östlicher Stadt Wuhledar zurück
Angesichts intensiver russischer Angriffe hat sich die ukrainische Armee nach eigenen Angaben aus der strategisch wichtigen Stadt Wuhledar im Osten des Landes zurückgezogen. Das Oberkommando habe die Erlaubnis zum Rückzug der Einheiten gegeben, "um Personal und militärische Ausrüstung zu retten und eine Position für weitere Einsätze einzunehmen", erklärte die in dem Gebiet aktive Einheit am Mittwoch im Onlinedienst Telegram. Die ukrainische Staatsanwaltschaft eröffnete unterdessen Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Hinrichtung ukrainischer Kriegsgefangener durch russische Soldaten.
Die ukrainische Einheit erklärte, es seien den Russen zwar schwere Schäden zugefügt worden, durch die unablässigen Angriffe bestehe jedoch die "Gefahr einer Einkreisung", hieß es weiter.
Die Bergbaustadt Wuhledar liegt rund 50 Kilometer südwestlich von Donezk. Seit Beginn seines Angriffskriegs im Februar 2022 hatte Russland versucht, den Ort einzunehmen. Immer wieder kam es zu blutigen Kämpfen um die Kontrolle über die Stadt, die inzwischen durch den russischen Beschuss weitgehend zerstört ist.
Dass sich die ukrainische Armee nun von dort zurückzieht und die Stadt den russischen Streitkräften überlässt, wirft Fragen zur Festigkeit der ukrainischen Verteidigungsstellungen entlang der südöstlichen Front auf. Der ukrainische Rückzug aus Wuhledar stellt einen der bedeutendsten Geländegewinne für die russischen Truppen bei ihrem seit Monaten andauernden Vorstoß im Osten der Ukraine dar.
Vor der russischen Invasion lebten rund 14.000 Menschen in Wuhledar. Nach Angaben von Gouverneur Wadym Filaschkin waren es zuletzt noch rund hundert Zivilisten. Die humanitäre Situation sei "äußerst schwierig", schrieb Filaschkin im Onlinedienst Telegram.
Russische Militärblogger hatten in den vergangenen Tagen Videos veröffentlicht, in denen Soldaten russische Flaggen in Wuhledar hissten. Das russische Verteidigungsministerium bestätigte die Einnahme der Stadt zunächst nicht. Das Ministerium erklärte am Mittwoch lediglich, dass die Streitkräfte die kleine Siedlung Verchnokamjanske weiter nördlich in der Region Donezk eingenommen hätten.
Beide Seiten haben immense Ressourcen in den Kampf um Wuhledar gesteckt. Die Eroberung hat aber wohl vor allem eine symbolische Bedeutung. "Es ist unklar, ob die russischen Streitkräfte in naher Zukunft schnelle Fortschritte über Wuhledar hinaus machen werden", heißt es in einer Analyse des Instituts für Kriegsstudien aus den USA.
Russische Truppen versuchen derweil auf Pokrowsk weiter nördlich vorzurücken. Tausende Zivilisten haben die strategisch wichtige Bergbaustadt im vergangenen Monaten verlassen. Die russischen Streitkräfte sind inzwischen weniger als zehn Kilometer von Pokrowsk entfernt.
In Kiew leitete unterdessen die ukrainische Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Hinrichtung von 16 ukrainischen Kriegsgefangenen durch die russische Armee ein. Sie stützt sich dabei auf Informationen aus Onlinenetzwerken, darunter ein Video der mutmaßlichen Hinrichtung.
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 haben sich beide Seiten bereits mehrfach die Tötung von Kriegsgefangenen vorgeworfen. Im März 2023 ging das Video eines gefangenen ukrainischen Soldaten viral, auf dem dieser "Ruhm der Ukraine!" ruft und dann durch Erschießen hingerichtet wird.
O. Joergensen--BTZ