CDU-Innenminister Stübgen: Individualrecht auf Asyl "nicht mehr nötig"
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der brandenburgische Ressortchef Michael Stübgen (CDU), fordert die Abschaffung des Asylrechts in seiner bestehenden Form. "Das individuelle Recht auf Asyl ist im Grundgesetz nicht mehr nötig", sagte er dem "Handelsblatt" vom Donnerstag. Deutschland könne "nach den Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention ohnehin Menschen, die verfolgt werden, Schutz gewähren". Offen für eine Diskussion über den Vorschlag zeigte sich der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki, Kritik kam von der Linken und den Grünen.
"Politisch Verfolgte genießen Asylrecht", heißt es in Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes. Dieser Satz ist laut Bundesinnenministerium "Ausdruck für den Willen Deutschlands, seine historische und humanitäre Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen zu erfüllen". Es ist demnach das einzige Grundrecht, das nur Ausländern zusteht.
Ohne dieses individuelle Asylrecht könnten Flüchtlingskontingente eingeführt werden, argumentierte nun Stübgen: "Wir entscheiden dann, wer in unser Land kommt. Und wir können festlegen, in welchem Ausmaß wir Migranten aufnehmen und integrieren können."
Der Innenminister bekräftigte außerdem die Forderung der Union, Zurückweisungen an den Grenzen im großen Stil zu ermöglichen. "Ich halte die Flüchtlingssituation in Deutschland für so angespannt, dass wir eine nationale Notlage ausrufen sollten", sagte er. Dann könnten Zurückweisungen "umfassend" angewendet werden.
Mit Blick auf Abschiebungen forderte Stübgen eine Wiederannäherung an Syrien. "Wenn wir in sichere Gebiete nach Syrien zurückführen wollen, brauchen wir diplomatische Beziehungen", sagte der im Wahlkampf befindliche CDU-Politiker. "Diplomatie bedeutet, auch mit Regierungen zu verhandeln, die die Menschenrechte nicht ernst nehmen", fügte er mit Blick auf Syriens Machthaber Baschar al-Assad hinzu.
Der mutmaßlich islamistische Messerangriff von Solingen sorgte für eine Debatte über die Migrationspolitik. Die Bundesregierung schlug bereits unter anderem Maßnahmen gegen gewaltbereiten Islamismus sowie deutliche Verschärfungen im Aufenthalts- und Asylrecht vor. Der Union gehen die geplanten Schritte aber nicht weit genug.
Offen für eine Debatte über Stübgens Vorschlag, das bestehende Asylrecht abzuschaffen, zeigte sich Kubicki. Er halte diesen "nicht von vornherein für falsch oder indiskutabel", sagte der Bundestags-Vizepräsident dem "Handelsblatt". "Wenn hiermit sowohl der humanitäre Schutz als auch die Beachtung der staatlichen Kapazitätsgrenzen besser als mit der bisherigen Regelung in Einklang gebracht werden können, wäre dies allemal eine ernsthafte Debatte wert."
Scharfe Kritik an den Forderungen des Ministers aus Brandenburg äußerte hingegen Linken-Chefin Janine Wissler. "Das Asylrecht abzuschaffen – diese Forderung kennt man sonst von braun-blauen Wahlplakaten", erklärte sie. "Dass die CDU jetzt dieselbe Sprache spricht, ist alarmierend." Stübgen gieße "Öl ins Feuer des gefährlichen Überbietungswettbewerbs der Union mit der AfD".
Wissler fügte hinzu: "Ein Innenministerium, aus dem solche Aussagen kommen, hat ein ernsthaftes Demokratieproblem. Stübgens Worte untergraben das Grundgesetz und spielen rechtsextremen Tendenzen in die Hände."
"Wahlkampfgetöse" warf Grünen-Chefin Ricarda Lang Stübgen in den Sendern RTL und ntv vor. Sie sei darüber hinaus schockiert, "wie viele so tun, als ob wir in der Migrationspolitik Ordnung dadurch erreichen, dass wir den Rechtsstaat schleifen".
L. Pchartschoy--BTZ