Bericht: Israel hat Sprengstoff in Hisbollah-Pagern platziert - Neun Tote im Libanon
Bei der Massenexplosion von Pagern der pro-iranischen Hisbollah im Libanon handelt es sich einem Bericht zufolge offenbar um eine israelische Sabotageaktion. Dem israelischen Geheimdienst sei es gelungen, eine Lieferung von Pagern abzufangen und in den Geräten einige Gramm Sprengstoff zu platzieren, berichtete die "New York Times". Bei den Explosionen wurden am Dienstag laut Angaben der Regierung in Beirut neun Menschen getötet und fast 2800 weitere verletzt, rund 200 von ihnen schwer.
Eine der Hisbollah nahestehende Quelle sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass "die explodierten Pager eine kürzlich von der Hisbollah importierte Lieferung von 1000 Geräten betreffen", die offenbar "an der Quelle sabotiert" worden seien.
Höchstwahrscheinlich sei an der Batterie eine kleine Menge Plastiksprengstoff eingebaut worden, das durch einen Telefonanruf oder ein Funksignal zur Explosion gebracht werden konnte, sagte Charles Lister von der US-Denkfabrik Middle East Institute. Der israelische Geheimdienst habe offenbar die Lieferkette "infiltriert".
Laut dem Bericht der "New York Times" hatte die Hisbollah die Pager beim Hersteller Gold Apollo bestellt. Das Unternehmen wies die Angaben jedoch zurück und erklärte, bei den explodierten Pagern handele es sich "nicht um unsere Produkte".
Die Hisbollah-Miliz wies Israel die Verantwortung für die "kriminelle Aggression" im Libanon zu und kündigte an, ihren Kampf "zur Unterstützung von Gaza" fortzusetzen. Zudem drohte sie, dass Israel für die Angriffe "sicherlich seine gerechte Strafe" erhalten werde.
Die mit der Hisbollah verbündete radikalislamische Hamas bezeichnete die Explosionen im Libanon als "zionistische terroristische Aggression". Israel äußerte sich bisher nicht zu den Vorfällen. Das US-Außenamt bestritt, daran beteiligt gewesen oder im Vorfeld informiert worden zu sein.
Zugleich mahnte die US-Regierung den Iran, nichts zu tun, was die derzeit angespannte Lage verschärft. Teheran unterstützt die Hisbollah im Libanon, die nach dem Beginn des Gaza-Krieges ihre Angriffe auf Israel intensiviert hatte. Dem iranischen Staatsfernsehen zufolge wurde auch der iranische Botschafter in Beirut, Modschtaba Amani, bei den Pager-Explosionen verletzt. Die Verletzungen des 61-Jährigen seien aber nur "oberflächlich", hieß es.
Die Explosionen trafen am Dienstagnachmittag mehrere Hochburgen der Hisbollah im Libanon. Es habe "gleichzeitige" Detonationen in den Bastionen der Miliz im Süden der Hauptstadt Beirut, im Südlibanon und der östlichen Bekaa-Ebene gegeben, gab eine Quelle der Miliz an. Unter den Toten war auch der Sohn eines Hisbollah-Abgeordneten, verlautete aus der Miliz nahestehenden Kreisen. Der Sohn eines weiteren Hisbollah-Abgeordneten sei verletzt worden.
Im Osten des Libanon wurde die zehnjährige Tochter eines Mitglieds der Miliz getötet, als sie neben ihrem Vater stand und dessen Pager explodierte, wie ihre Familie sowie eine Quelle aus dem Hisbollah-Umfeld angaben. Mehr als 200 Verletzte schwebten laut Angaben des libanesischen Gesundheitsminister Firass Abiad in Lebensgefahr.
Die UN-Sonderkoordinatorin für den Libanon, Jeanine Hennis-Plasschaert, sprach von einer "äußerst beunruhigenden Eskalation". Sie forderte "alle beteiligten Parteien auf, von weiteren Aktionen (...) abzusehen, die einen größeren Flächenbrand auslösen könnten".
Die Lufthansa setzte wegen der Explosionen ihre Flüge nach Tel Aviv und in die iranische Hauptstadt Teheran aus. In beiden Fällen gelte dies zunächst bis einschließlich Donnerstag, teilte der Konzern mit. Air France kündigte an, im gleichen Zeitraum die Flüge nach Tel Aviv sowie in die libanesische Hauptstadt Beirut auszusetzen.
Die Hisbollah hatte ihre Mitglieder nach Beginn des Gaza-Krieges angewiesen, Mobiltelefone zu meiden und stattdessen auf ihr eigenes Telekommunikationssystem zurückzugreifen, um israelische Übergriffe zu verhindern. Pager ermöglichen den Empfang unter anderem von Nachrichten über ihre eigene Funkfrequenz und damit ohne die Nutzung von Mobilfunknetzen.
Die israelische Regierung hatte am Dienstag mitgeteilt, dass sie ihre Kriegsziele auf den Konflikt mit der Hisbollah im Libanon ausgeweitet habe. Seit dem Beginn des Krieges im Gazastreifen haben auch die Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der mit der Hamas verbündeten Hisbollah im Libanon zugenommen. Zehntausende Menschen auf beiden Seiten der Grenze mussten fliehen. Der israelische Verteidigungsminister Joav Gallant hatte am Montag erklärt, "militärisches Handeln" sei "der einzige verbliebene Weg, die Rückkehr der nordisraelischen Gemeinden sicherzustellen".
Israels Konflikt mit der Hisbollah im Libanon wurde bisher nicht offiziell als Krieg deklariert. Dennoch waren durch die Feuergefechte im Libanon laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP bislang mehr als 620 Menschen getötet worden, darunter mindestens 141 Zivilisten. Auf israelischer Seite, inklusive der annektierten Golan-Höhen, wurden nach Behördenangaben bisher 24 Soldaten und 26 Zivilisten getötet.
N. Lebedew--BTZ