
Israel weitet Kämpfe im Gazastreifen aus - Hamas meldet Ankunft von erstem Feldlazarett

Inmitten vorsichtiger Hoffnungen auf eine Geisel-Freilassung im Gegenzug zu einer Feuerpause will Israel seinen Einsatz im Gazastreifen ausweiten. Bei einem Angriff auf ein Krankenhaus wurden am Montag nach nicht überprüfbaren Angaben der radikalislamischen Hamas mindestens zwölf Menschen getötet, darunter auch Patienten. Die israelische Armee hatte am Vortag erklärt, die Kämpfe gegen die islamistische Hamas in "zusätzliche Gebiete" des Palästinensergebiets ausdehnen zu wollen.
Weiter teilte die israelische Armee am Montag mit, dass seit dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 65 israelische Soldaten im Gazastreifen getötet worden seien.
Am 7. Oktober hatten hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Palästinenserorganisation Israel überfallen und dort Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Nach israelischen Angaben wurden in Israel etwa 1200 Menschen getötet, etwa 240 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit Beginn der darauf folgenden israelischen Angriffe im Gazastreifen vor rund sechs Wochen rund 13.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet.
Die im Gazastreifen herrschende Hamas teilte mit, dass bei einem israelischen Angriff auf ein von Indonesien betriebenes Krankenhaus am Rande der Flüchtlingssiedlung Dschabalija im Norden des Gazastreifens mindestens zwölf Menschen getötet und dutzende weitere verletzt worden seien. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde befinden sich noch 700 Patienten und Pfleger in der Klinik.
"Die israelische Armee belagert das indonesische Krankenhaus und wir befürchten, dass dort dasselbe passieren wird wie im Al-Schifa-Krankenhaus", sagte Behördensprecher Aschraf al-Kudra.
Ebenso wie unter der Al-Schifa-Klinik vermutet die israelische Armee auch unter dem indonesischen Krankenhaus ein unterirdisches Kontrollzentrum der Hamas. Die islamistische Palästinenserorganisation bestreitet dies.
Israelische Soldaten befinden sich seit Tagen auf dem Gelände der Al-Schifa-Klinik, des größten Krankenhauses im Gazastreifen. Am Sonntag erklärte die Armee, sie habe unter dem Klinikgelände in zehn Metern Tiefe einen 55 Meter langen Tunnel sowie ein Waffenlager gefunden.
Von Israel veröffentlichte Aufnahmen von Überwachungskameras der Klinik zeigten dort zudem zwei mutmaßliche Hamas-Geiseln in Begleitung von bewaffneten Männern. Nach Angaben des israelischen Armeesprechers Daniel Hagari stammen die beiden Geiseln aus Nepal und Thailand. Laut einer Erklärung der Armee und der Geheimdienste belegten die Aufnahmen, dass die Hamas "den Schifa-Krankenhauskomplex am Tag des Massakers als terroristische Infrastruktur nutzte".
Diese Angaben werden laut der Armee auch von jüngsten Erkenntnissen über den Tod der von der Hamas als Geisel verschleppten Noa Marciano gestützt. Die Leiche der 19-Jährigen war wenige Tage zuvor von israelischen Truppen geborgen worden. "Konkreten Geheimdienstinformationen" zufolge wurde sie im Al-Schifa-Krankenhaus festgehalten und dort von der Hamas getötet. Ihre Leiche sei später vor dem Krankenhaus abgelegt worden. Die Hamas hatte zuvor angegeben, Marciano sei bei einem israelischen Luftangriff getötet worden.
Nach jüngsten Angaben aus Katar könnte eine Vereinbarung über die Freilassung der Hamas-Geiseln kurz bevorstehen. Der katarischen Regierung zufolge stehen bei den Verhandlungen nur noch "geringfügige" Hindernisse im Weg. Das Golfemirat nimmt bei der Vermittlung zwischen Israel und der Hamas eine Schlüsselrolle ein.
Ähnlich äußerte sich der Vize-Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jon Finer. Er sagte dem US-Sender NBC, dass ein Abkommen "näher als je zuvor" sei. Ihm zufolge sieht es die Freilassung von "mehreren dutzend" Geiseln im Gegenzug zu einer "längeren, mehrere Tage dauernde Kampfpause" vor. Später fügte Finer jedoch hinzu, es gelte "das Mantra, dass nichts vereinbart ist, bis alles vereinbart ist".
Die angeblichen Fortschritte wurden bislang weder von der Hamas noch von Israel bestätigt. Israel hat bislang vorübergehenden Kampfpausen zugestimmt, lehnt aber eine Waffenruhe ab, solange nicht alle Geiseln freigelassen werden. Am Montagabend ist ein Treffen von Familienangehörigen der Geiseln mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Gallant und Benny Gantz, einem weiteren Mitglied der Notstandsregierung, geplant.
Derweil berichteten ägyptische Medien, dass inzwischen 29 aus der Al-Schifa-Klinik evakuierte Frühgeborene im Nachbarland angekommen seien. Der staatsnahe ägyptische Sender Al Kahera News meldete die Ankunft der Babys über den Grenzübergang Rafah im Süden des Gazastreifens. Demnach befanden sich alle Säuglinge in Brutkästen, die an medizinische Geräte angeschlossen waren.
Zudem erreichte erstmals seit Beginn des Krieges ein Feldkrankenhaus den Gazastreifen. 40 mit der Ausrüstung beladene Lastwagen sowie 170 Pflegekräfte überquerten nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde am Montag von Ägypten aus den Grenzübergang Rafah. Das Feldlazarett kommt demnach aus Jordanien und wird laut dem Generaldirektor für die Krankenhäuser im Gazastreifen, Mohammed Zakut, in Chan Junis aufgestellt.
S. Soerensen--BTZ