
Selbstmordattentat in Ankara vor Beginn der Sitzungsperiode des Parlaments

Das Zentrum der türkischen Hauptstadt Ankara ist am Sonntagmorgen von einem Selbstmordanschlag erschüttert worden. Nach Angaben des Innenministeriums sprengte sich einer der beiden Attentäter in der Nähe des Parlaments in die Luft, während der zweite "neutralisiert" wurde. Zwei Polizisten wurden demnach leicht verletzt. Der Anschlag ereignete sich kurz vor Beginn der neuen Sitzungsperiode des Parlaments, zu deren Eröffnung Staatschef Recep Tayyip Erdogan sprechen wollte.
Zwei "Terroristen" hätten sich gegen 09.30 Uhr Ortszeit (08.30 Uhr MESZ) in einem Lieferwagen dem Eingang der Sicherheitsdirektion des Ministeriums genähert und dort einen Sprengstoffanschlag verübt, erklärte Innenminister Ali Yerlikaya im Onlinedienst X (vormals Twitter). "Der eine Terrorist hat sich in die Luft gesprengt, der andere wurde neutralisiert." Zwei Polizisten seien durch Flammen infolge der Explosion leicht verletzt worden.
Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag. Die heftige Explosion war kilometerweit zu hören. Das Parlamentsviertel, in dem sich auch zahlreiche Ministerien befinden, wurde abgesperrt. Der private türkische Fernsehsender NTV berichtete, es seien auch Schüsse gefallen.
Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigten einen grauen Wagen, der langsam vor einem Wachposten der Polizei parkt. Dann ist zu sehen, wie der Beifahrer mit einer Waffe in der Hand aus dem Wagen springt und vor dem Wachposten die Explosion auslöst. Ein zweiter Mann rückt ebenfalls vor, ist dann aber wegen der durch die Explosion ausgelösten Rauchwolken nicht mehr zu erkennen.
Die Polizeipräfektur von Ankara teilte mit, sie habe in der Folge noch einige "verdächtige Pakete" kontrolliert zur Explosion gebracht, da zunächst weitere Anschläge befürchtet wurden. Die Staatsanwaltschaft der Hauptstadt leitete Ermittlungen ein und untersagte den türkischen Medien, am Anschlagsort zu filmen, was auch befolgt wurde.
Die Rede Erdogans war für 14.00 Uhr Ortszeit (13.00 Uhr MESZ) angesetzt. Ein Sprecher sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Tagesordnung für das Parlament werde nicht geändert.
Im Laufe der neuen Sitzungsperiode soll das türkische Parlament über den Antrag Schwedens auf einen Nato-Beitritt entscheiden. Die Türkei zögert ihre Zustimmung zu dem seit Mai 2022 vorliegenden Antrag hinaus und wirft Schweden einen zu laxen Umgang mit den Rebellen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor.
Die deutsche Botschaft veröffentlichte auf Türkisch und Deutsch eine Reaktion auf den Anschlag via X: "Mit Entsetzen beobachten wir die Nachrichten von dem Terroranschlag heute morgen im Herzen Ankaras", hieß es darin. "Wir wünschen den Verletzten rasche Genesung. Bitte vermeiden Sie bis auf Weiteres das Stadtzentrum von Ankara."
Botschafter Jürgen Schulz ergänzte, es könne "keinen Grund für solche Gewalt geben". Ebenfalls auf X verurteilte EU-Ratspräsident Charles Michel den Anschlag, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte seine "Solidarität mit der Türkei".
Ankara war 2015 und 2016 Schauplatz einer Reihe folgenschwerer Anschläge gewesen, zu denen sich die PKK oder die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bekannt hatten. Der bis zum Sonntag jüngste Anschlag auf türkischem Boden ereignete sich am 13. November 2022 in Istanbul. Dabei waren sechs Menschen getötet und 81 weitere verletzt worden. Die türkischen Behörden hatten die PKK dafür verantwortlich gemacht.
L. Andersson--BTZ