Handelskonflikt: Chinas Wirtschaftswachstum auf 28-Jahres-Tief
Sinkende Ausgaben und der Handelskonflikt mit US-Präsident Donald Trump haben Chinas Wirtschaft im vergangenen Jahr so schwach wachsen lassen wie seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr. 2018 legte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, die auch für viele deutsche Unternehmen als Absatzmarkt eine große Bedeutung hat, nach offiziellen Zahlen um 6,6 Prozent zu. Das ist der geringste Anstieg des Bruttoinlandsprodukts seit 28 Jahren.
Wie die nationale Statistikbehörde am Montag mitteilte, betrug der Anstieg in den letzten drei Monaten des Jahres sogar nur 6,4 Prozent - ein Quartalswert, der zuletzt auf dem Höhepunkt der Finanzkrise vor zehn Jahren erreicht worden war. Im Gesamtjahr lag das Wachstum leicht über der Regierungsprognose von 6,5 Prozent, aber unter den 6,8 Prozent des Vorjahres.
Das niedrigere Wirtschaftswachstum hat dabei vor allem zwei Ursachen: Weniger Ausgaben im Inland und mehr internationale Risiken. Nach Jahren immenser Investitionen fährt die Regierung in Peking große Projekte inzwischen zurück, um die hohe Staatsverschuldung einzudämmen. Gedämpft war zuletzt auch die Kauflust der Verbraucher. So gab es vom chinesischen Neuwagenmarkt, der für viele Autobauer auch im Westen längst der wichtigste der Welt ist, zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten rückläufige Zahlen im Vergleich zum Vorjahr.
Außerdem belastet der noch immer ungelöste Handelskonflikt mit den USA die Konjunktur. Trump wirft China unfaire Handelspraktiken zulasten von US-Unternehmen und den Diebstahl geistigen Eigentums vor. Er hat deshalb eine Strafzollspirale in Gang gesetzt, die inzwischen rund die Hälfte aller Importe aus China in die USA betrifft. Aktuell herrscht in dem Konflikt lediglich ein Waffenstillstand. Im März läuft ein Ultimatum der USA aus, mit dem Trump Peking weitere Zugeständnisse abtrotzen will; Ende Januar soll es in Washington weitere Verhandlungen geben.
Es gebe "weitreichende Besorgnis" über die internationale Entwicklung mit ihren "vielen Variablen und Unsicherheitsfaktoren", sagte der Chef der Statistikbehörde, Ning Jizhe. Für die stark vom Export abhängige chinesische Wirtschaft bedeute dies "Abwärtsdruck". Der US-chinesische Handelskonflikt habe "in der Tat" Auswirkungen auf die Wirtschaft, sagte Ning. Allerdings sei dieser Effekt "grundsätzlich kontrollierbar".
Für die Abschwächung des BIP-Wachstums machen Analysten aber in erster Linie die Ausgabenzurückhaltung der Regierung in Peking verantwortlich, die damit die hohe Staatsverschuldung, finanzielle Risiken und Umweltfolgen abmildern will. So stiegen etwa die Infrastrukturausgaben für U-Bahnen oder neue Straßen vergangenes Jahr lediglich um 3,8 Prozent - deutlich weniger als die 19 Prozent Zuwachs des Vorjahres.
Große Konjunkturprogramme zur Ankurbelung des Wachstums wie während der Finanzkrise stehen bei der chinesischen Führung nach Einschätzung von Analysten auch künftig nicht auf der Agenda. Stattdessen sollen weniger Abgaben und Bürokratie den Konsum auf dem Heimatmarkt stimulieren. "Das Wirtschaftswachstum wird in den kommenden Monaten unter Druck bleiben, und die Politik wird eher darauf zielen, die Verlangsamung zu bremsen anstatt einen erheblich Wiederanstieg zu konstruieren", sagt Louis Kuijs von Oxford Economics.
Als zusätzliche Belastung für die Wirtschaft könnte sich in China künftig der demographische Wandel erweisen. Trotz der Abschaffung der Ein-Kind-Politik wurden nach Angaben der Statistiker 2018 zwei Millionen Kinder weniger geboren als ein Jahr zuvor.
2016 hatte die Regierung aus Sorge vor einer alternden Bevölkerung und dem damit verbundenen Arbeitskräftemangel die Regelung gelockert. Seither dürfen chinesische Paare zwei Kinder haben. Allerdings stieg die Geburtenrate seither nicht wie erwartet, weshalb immer wieder über eine völlige Aufhebung der staatlich verordneten Familienplanung spekuliert wird.
(A. Williams--BTZ)