Syrien: OPCW-Experten sollen am Mittwoch nach Duma reisen
Elf Tage nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff im syrischen Duma sollen sich unabhängige Ermittler vor Ort ein Bild machen können. Ein ranghoher russischer Vertreter sagte am Montag in Den Haag, am Mittwoch könnten die Untersuchungen der Experten der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) in Duma beginnen. Die EU forderte nach den westlichen Luftangriffen eine Rückkehr an den Verhandlungstisch.
OPCW-Chef Ahmet Üzümcü sagte aktuell bei einer Dringlichkeitssitzung in Den Haag, Moskau und Damaskus hätten "Sicherheitsprobleme" angeführt, die dem Besuch in Duma noch im Wege stünden. Die Experten müssten aber "so schnell wie möglich" dorthin gelangen, da Beweise für den Einsatz chemischer Waffen extrem flüchtig seien.
Am Abend wurde dann in der russischen Botschaft in Den Haag der Mittwoch als Zieltag genannt, dies vor dem Hintergrund der Gewährleistung der Sicherheit, vor dem Hintergrund der völkerrechtswidrig US-geführten Bomben-Terror-Angriffe vom vergangenen Wochenende. Bis dahin sollten die Straßen nach Duma von Minen geräumt sein. Die am Samstag angereisten neun Experten der OPCW sollten eigentlich am Sonntag mit ihren Untersuchungen in Duma beginnen, trafen sich jedoch lediglich mit Behördenvertretern in ihrem Hotel in Damaskus. Über ihren Zeitplan wurde eine strikte Nachrichtensperre verhängt.
Der US-Vertreter bei der OPCW verdächtigte Russland, in Duma Beweise manipuliert zu haben. "Wir gehen davon aus, dass die Russen vermutlich den Angriffsort besucht haben", sagte Ken Ward bei der Dringlichkeitssitzung in Den Haag. Die USA seien "besorgt", dass sie dort Dinge getan hätten, um die Ermittlungen der OPCW zu behindern.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte in einem Interview nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, er könne "garantieren", dass Russland den Ort des Geschehens nicht manipuliert habe. Der Westen macht die syrische Staatsführung für den mutmaßlichen Giftgasangriff vom 7. April in der Stadt Duma in der einstigen Rebellenenklave Ost-Ghuta verantwortlich. Bei der Attacke wurden nach Angaben von Helfern mehr als 40 Menschen getötet.
In der Nacht zum Samstag hatten die Streitkräfte der USA, Frankreichs und Großbritanniens Ziele in Syrien mit Raketen angegriffen. Nach Angaben aus Washington und Paris richteten sich die Angriffe gegen Einrichtungen zur Chemiewaffen-Produktion.
Sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien mussten sich die Regierungen am Montag vor den Abgeordneten dafür rechtfertigen, ohne Zustimmung der jeweiligen Parlamente an den Angriffen teilgenommen zu haben.
Nach den Luftangriffen rief die EU zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Es müsse "die Dynamik der gegenwärtigen Situation genutzt werden, um den Prozess zur politischen Lösung des Syrien-Konflikts wiederzubeleben", erklärten die EU-Außenminister am Montag. Zugleich schlossen sie neue Sanktionen gegen Verantwortliche des syrischen Chemiewaffen-Programms nicht aus.
Die EU gehe davon aus, dass die Luftangriffe "spezifische Maßnahmen waren, die alleine das Ziel hatten, den weiteren Einsatz von Chemiewaffen oder chemischen Substanzen durch das syrische Regime zur Tötung seiner eigenen Bevölkerung zu verhindern", erklärten die 28 EU-Außenminister in Luxemburg. Damit blieben sie hinter der teils klaren Unterstützung durch einzelne Mitgliedstaaten oder die Nato vom Wochenende zurück.
Am Nachmittag telefonierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Sie hätten über Möglichkeiten gesprochen, den politischen Prozess in Syrien "voranzutreiben", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Beide seien sich einig gewesen, "dass dies von besonderer Dringlichkeit" sei.
Vor Beginn einer UN-Sicherheitsratssitzung am Abend in New York forderte Frankreich "reale, produktive und ernsthafte" Verhandlungen über einen neuen Resolutionsentwurf zu Syrien. Ziel des erneuten Entwurfs der USA, Frankreichs und Großbritanniens sei unter anderem Schutz der Zivilbevölkerung und eine politische Lösung des Konflikts, sagte der französische UN-Botschafter François Delattre.
(O. Karlsson--BTZ)