
Nachwahl in Tory-Hochburg: Stimmungstest für Premier Johnson

Wichtiger Stimmungstest für Premierminister Boris Johnson in Mittelengland: Bei einer Nachwahl für einen Sitz im britischen Unterhaus ist am Donnerstag über die Nachfolge des langjährigen Tory-Abgeordneten Owen Paterson und indirekt auch über Johnsons Regierungsführung abgestimmt worden. Eine Niederlage in dem ländlichen Wahlkreis North Shropshire, der seit Jahrzehnten in der Hand der Tories ist, würde den Druck auf den Premierminister weiter erhöhen. Er ist wegen einer Reihe von Skandalen und seiner Corona-Politik auch in den eigenen Reihen zunehmend umstritten.
"Wir kämpfen um jede Stimme", sagte Johnsons Sprecher am Abend vor der Wahl und wich damit Fragen aus, ob der Partei- und Regierungschef im Falle einer Niederlage zurücktreten könnte.
Die Wahllokale in North Shropshire öffneten am Donnerstag um 08.00 Uhr (MEZ) und sollten um 23.00 Uhr schließen. Das Ergebnis der Abstimmung wurde für Freitagmorgen erwartet. Die Wähler waren aufgerufen, den Nachfolger des Tory-Politikers Paterson zu bestimmen, der nach gut 24 Jahren im Parlament wegen einer Lobbyismus-Affäre zurückgetreten war. Bei der Parlamentswahl 2019 hatte er 62,7 Prozent der Stimmen geholt.
Nun könnten die Tories das Mandat in ihrer langjährigen Hochburg nach Einschätzung von Experten aber an die Liberaldemokraten verlieren. "Ich werde für die Liberaldemokraten stimmen, weil ich von Johnsons Politik so beleidigt bin", sagte der Wähler Martin Hill, der normalerweise für die oppositionelle Labour-Partei stimmt, Anfang der Woche. "Es wird eine taktische Wahl sein - ich möchte Johnson eine Ohrfeige geben."
Johnson hatte sich Anfang November in die Affäre um Paterson eingeschaltet und versucht, ein Disziplinarverfahren gegen den Tory-Abgeordneten zu stoppen, dem ein grober Verstoß gegen Lobbyismus-Vorschriften vorgeworfen wurde. Paterson sollte zunächst für 30 Tage vom Amt suspendiert werden, legte später aber sein Mandat nieder.
Der Druck auf den Regierungschef wuchs seitdem weiter an: Am Dienstag musste er bei einer Abstimmung im Unterhaus einen schweren Dämpfer hinnehmen. Fast hundert Tory-Abgeordnete stimmten gegen die neuen Corona-Regeln seiner Regierung. Johnson und seine Regierung stehen auch wegen einer Parteispenden-Affäre und mutmaßlicher Verstöße gegen die selbst gesetzten Corona-Regeln unter Druck.
(S. Soerensen--BTZ)