
Bericht: Corona-Pandemie beeinträchtigt Menschenrechtslage

Die Corona-Krise beeinträchtigt nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) die Menschenrechtslage in Deutschland. Vor allem die Rechte von Kindern und Jugendlichen seien bei der Pandemie-Bekämpfung nicht angemessen berücksichtigt worden, beklagte Institutsdirektorin Beate Rudolf am Donnerstag. Das Institut mahnte bei der Vorlage seines Jahresberichts auch dringendes Handeln der Politik bei der gesetzlichen Regelung von Triage-Kriterien für überlastete Krankenhäuser an.
Die Politik habe in Kindern und Jugendlichen bislang "eher Treiber der Pandemie" gesehen "als Personen mit Rechten, die angehört werden müssen", kritisierte Rudolf. Erst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Bundesnotbremse habe klargestellt, dass Schulschließungen bei der Eindämmung des Coronavirus "nur letztes Mittel sein dürfen".
Das DIMR betrachte unterdessen mit Sorge, "dass nicht genügend Anstrengungen unternommen wurden, um die Schließung von Kitas und Schulen" künftig zu verhindern. Rudolf verwies auf das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Bildung, aber auch auf Kontakt zu Gleichaltrigen. Das Vorhaben der Ampel-Koalition, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, dürfe nicht scheitern, mahnte sie.
Eine gesetzliche Regelung forderte Rudolf auch mit Blick auf die wegen der Pandemie möglicherweise erforderliche Triage auf Intensivstationen. Der Bundestag müsse dringend regeln, welche Kriterien herangezogen werden dürften, wenn Ärzte wegen der Überfüllung von Intensivstationen Patienten priorisieren müssten.
Bisher könnten sich Ärzte und Ärztinnen im Triage-Fall nur auf unverbindliche Empfehlungen der Fachgesellschaften für Notfallmedizin stützen, sagte Rudolf. In diesen Empfehlungen spiele etwa die "klinische Gebrechlichkeitsskala" eine Rolle, die zu einer Diskriminierung älterer und behinderter Menschen führe.
"Alter, Lebensqualität und Lebenserwartung" dürften aber bei der Entscheidung, wer Anspruch auf intensivmedizinische Versorgung habe, keine Kriterien sein, betonte Rudolf. Eine solche Bewertung von Menschenleben sei mit der Menschenwürde nicht vereinbar.
Auch der Impfstatus dürfe in Triage-Situationen keine Rolle spielen. "Man verliert seine Rechte nicht, weil man sich unvernünftig oder unsolidarisch verhalten hat", betonte Rudolf. Das Recht auf Gesundheit gelte auch für Ungeimpfte.
Einwände gegen die geplante einrichtungsbezogene Impfpflicht gebe es aus menschenrechtlicher Sicht nicht, sagte Rudolf weiter. Diese habe das Ziel, besonders schutzbedürftige Menschen zu schützen. In Teilen der Bevölkerung gebe es ein falsches Verständnis von Grundrechten. "Die meisten Grundrechte können eingeschränkt werden, vor allem zum Schutz anderer", unterstrich Rudolf.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist als unabhängige Menschenrechtsinstitution bei den Vereinten Nationen akkreditiert und legt dem Bundestag einmal im Jahr einen Bericht zur Lage der Menschenrechte in Deutschland vor.
(A. Williams--BTZ)