Berliner Tageszeitung - Streit zwischen Paris und London nach Flüchtlingsdrama

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Streit zwischen Paris und London nach Flüchtlingsdrama




Streit zwischen Paris und London nach Flüchtlingsdrama
Streit zwischen Paris und London nach Flüchtlingsdrama / Foto: © AFP

Der politische Streit zwischen Frankreich und Großbritannien nach dem jüngsten Flüchtlingsdrama am Ärmelkanal spitzt sich zu. Der französische Regierungssprecher reagierte empört auf den Vorschlag des britischen Premierministers Boris Johnson, die Migranten von Großbritannien nach Frankreich zurückzuschicken. "Das Schreiben ist unverschämt, denn es zeigt keinerlei Respekt für die Arbeit, die wir bislang geleistet haben", sagte Gabriel Attal am Freitag dem Sender BFMTV.

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Er bezog sich auf einen Brief, den Johnson an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron geschrieben und anschließend selber auf Twitter veröffentlicht hatte. Darin ist von "neuen kreativen Ideen" die Rede, um weitere Dramen zu verhindern. Konkret schlägt Johnson ein Abkommen vor, "das es erlaubt, dass alle Migranten, die illegal über den Ärmelkanal kommen, zurückgebracht werden".

Attal verwies darauf, dass Frankreich bereits 7800 Migranten aus Seenot gerettet habe. "Der Vorschlag einer Rückführung ist wirklich keine Lösung, um dieses Problem zu regeln", betonte Attal. "Es fragt sich, ob Boris Johnson es nicht bereut, die EU verlassen zu haben, denn immer, wenn es ein Problem gibt, erwartet er, dass die EU sich kümmert", sagte der Regierungssprecher.

Als Reaktion auf Johnsons Vorschlag hatte der französische Innenminister Gérald Darmanin bereits seine britische Kollegin wieder ausgeladen, die an einem Ministertreffen am Sonntag in Calais teilnehmen sollte. Das Treffen solle nun mit den Vertretern aus Belgien, Deutschland, den Niederlanden und der EU-Kommission stattfinden. Johnsons Brief sei "enttäuschend" gewesen, schrieb Darmanin. "Ihn zu veröffentlichen, hat es noch verschlimmert", fügte er hinzu.

Der britische Verkehrsminister Grant Shapps appellierte an die Franzosen, "es sich noch einmal zu überlegen". "Keine Nation kann dies alleine stemmen", sagte Shapps mit Blick auf die Migration der BBC. Beratungen zwischen Großbritannien und Frankreich seien "sicherlich im Interesse der Menschen, die auf tragische Weise ins Vereinigte Königreich geschmuggelt werden", betonte er.

Bei dem Treffen soll es darum gehen, die polizeiliche, juristische und humanitäre Zusammenarbeit zu verbessern und entschiedener gegen Schleuser vorzugehen.

Johnson hatte in seinem Schreiben auch gemeinsame Grenzpatrouillen, Luftüberwachung und den Austausch von Informationen vorgeschlagen. "Wir sind bereit, ab Anfang nächster Woche mit solchen Patrouillen zu beginnen", schrieb er. Frankreich hatte solche Angebote in der Vergangenheit abgelehnt, weil sie als Eingriff in die nationale Souveränität gelten.

Bei dem Unglück mit dem Flüchtlingsboot im Ärmelkanal waren am Mittwoch mindestens 27 Menschen gestorben, unter ihnen sieben Frauen und drei junge Menschen. Nach Aussagen anderer Flüchtlinge handelt es sich in erster Linie um irakische Kurden, Iraner und Afghanen. Zwei Männer aus dem Irak und aus Somalia überlebten. Die Gruppe war aus Dünkirchen mit einem Schlauchboot losgefahren, aus dem die Luft entwich.

Johnson wirft Frankreich schon lange vor, nicht genug gegen die stark ansteigende Zahl an Flüchtlingen zu tun, die in einfachen Booten nach England übersetzen. Durch den Austritt Großbritanniens aus der EU ist es für die britischen Behörden zudem schwieriger geworden, die Ankömmlinge in EU-Länder zurückzubringen.

(F. Schulze--BTZ)