
Appelle für ehrgeizige Beschlüsse am offiziell vorletzten Tag der COP in Glasgow

Einen Tag vor dem offiziellen Ende der UN-Klimakonferenz haben die Verhandler eindringliche Appelle erreicht, die Chance auf eine Begrenzung der Erderwärmung nicht zu vertun. Mehr als 200 internationale Wissenschaftler forderten von den Entscheidungsträgern in Glasgow in einem Brief "sofortiges" und "umfassendes Handeln". "Die Zeit läuft ab", mahnte am Donnerstag auch Papst Franziskus. Konferenz-Präsident Alok Sharma äußerte sich "besorgt" über noch viele ungeklärte Verhandlungspunkte, insbesondere bei den Klimahilfen.
In dem offenen Brief der Wissenschaftler heißt es, "dass sofortiges, starkes, schnelles, nachhaltiges und umfassendes Handeln notwendig ist", um die Erderwärmung im Rahmen der Pariser Klimaziele zu halten. Andernfalls drohten "unumkehrbare" Auswirkungen des Klimawandels auf Generationen hinaus. Die COP26 sei "ein historischer Moment für das Schicksal von Klima, Gesellschaften und Ökosystemen".
"Diese Gelegenheit darf nicht vertan werden", forderte auch Papst Franziskus in einem Brief an Schottlands Katholiken. In Glasgow verhandeln seit dem 31. Oktober fast 200 Länder über die Umsetzung des Pariser Abkommens. Es sieht eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst aber auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter vor.
Nach UN-Angaben steuert die Erde derzeit aber selbst bei der Einhaltung aller nationaler Klimaschutzzusagen auf eine folgenschwere Erwärmung um 2,7 Grad zu. Der Weltklimarat (IPCC) rechnet damit, dass sich die Erde bereits bis 2030 um 1,5 Grad erwärmt - ein Jahrzehnt früher als noch vor drei Jahren vermutet.
COP26-Präsident Sharma äußerte sich "besorgt über die Zahl offener Punkte bei Finanzthemen am Tag, bevor wir zum Abschluss kommen sollen". Beim Thema Klimafinanzierung täten sich die Verhandler selbst mit Einigungen in "ein paar technischen Routinefragen" schwer. Die Welt erwarte von der COP26 eine Einigung. "Und wir können es uns nicht leisten, sie hängenzulassen", mahnte Sharma im Konferenzplenum.
Care-Klimaexperte Sven Harmeling sagte der Nachrichtenagentur AFP, es "wäre schon fast ein Wunder", wenn die Klimakonferenz wie geplant am Freitag zu Ende gehe. Auch der britische Premierminister Boris Johnson hatte am Mittwoch ein Überziehen wie in den vergangenen Jahren nicht ausgeschlossen.
Auszuhandeln sind unter anderem noch die Berichts- und Transparenzregeln für die nationalen Klimaziele sowie die Regeln für die Übertragung von Emissionszertifikaten bei Klimaschutzinvestitionen von reicheren Ländern und der Privatwirtschaft in ärmere Länder.
Der Dreh- und Angelpunkt ist aber die fehlende Ambition der Staaten, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Der erste Entwurf der übergreifenden COP26-Entscheidung vom Mittwoch enthielt zumindest den Aufruf an die Staaten, ihre Pläne zur Verringerung ihres Treibhausgas-Ausstoßes bereits bis 2022 und nicht erst 2025 "zu überdenken und zu stärken".
Ein positives Signal sandten am Mittwochabend überraschend auch die beiden weltgrößten Treibhausgasemittenten China und USA aus, indem sie eine Zusammenarbeit im Klimaschutz in den kommenden Jahren verkündeten. Die wenig konkrete, aber symbolträchtige Ankündigung erntete vorsichtiges Lob von UNO, anderen Ländern wie Deutschland und Klimaexperten.
Außerdem gründete sich ein Bündnis aus den Regierungen von zunächst einem Dutzend Staaten und Regionen für den Ausstieg aus der Förderung fossiler Brennstoffe. Der Beyond Oil and Gas Alliance (Boga) gehören unter anderem Frankreich, Dänemark, Irland, Costa Rica, Kalifornien und Grönland an.
Nach ihrer Beteiligung an den Ampel-Koalitionsverhandlungen im Bund schaltete sich am Donnerstag auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) persönlich in die Verhandlungen ein. Sie nutzte ihre Anwesenheit in Glasgow, um mit ihren Kollegen aus Österreich, Luxemburg, Dänemark und Luxemburg in einer gemeinsamen Erklärung die EU-Kommission davor zu warnen, Atomkraft als "nachhaltig" einzustufen. "Atomkraft kann keine Lösung sein", sagte Schulze mit Blick auf den Kampf gegen die Erderwärmung.
(D. Wassiljew--BTZ)