EU-Länder billigen deutschen Vorschlag gegen Corona-Reisechaos
Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf erste Leitlinien gegen den europäischen Flickenteppich bei den Corona-Reisebeschränkungen geeinigt. Sie gaben am Freitag in Brüssel grünes Licht für Empfehlungen des deutschen EU-Vorsitzes, die ein einheitliches Ampelsystem zur farblichen Kennzeichnung von Risikogebieten vorsehen. Ob und welche Maßnahmen die einzelnen Länder darauf basierend beschließen, bleibt ihnen allerdings weitgehend freigestellt. Nur Einreiseverbote soll es nicht mehr geben.
Wie zu Beginn der Pandemie im Frühjahr gehen die EU-Staaten derzeit unterschiedlich bei Reisebeschränkungen wegen des Coronavirus vor. So gibt es etwa von deutscher Seite eine Reisewarnung für Belgien, nicht aber von französischer. Ungarn hat unter Berufung auf das Virus sogar generell die Einreise untersagt; Ausnahmen gibt es nur für Reisende aus Polen, Tschechien und der Slowakei.
Bei einem Treffen der EU-Botschafter der Mitgliedstaaten habe es nun "breite Unterstützung" für einen Koordinierungsvorschlag gegeben, sagte ein Sprecher der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Dies sei "ein wichtiger Schritt, der mit gemeinsamer Risikoanalyse zu mehr Berechenbarkeit und Transparenz beim Reisen unter Covid-Bedingungen in der EU führt."
Bei dem Farbcode-System sollen Gebiete in Europa mit den Farben Grün, Orange und Rot gekennzeichnet werden. Die Einstufung erfolgt dabei auf Basis der Zahl der Corona-Fälle und der Testrate pro 100.000 Einwohner sowie dem Anteil positiv ausgefallener Tests.
Die Mitgliedstaaten sollen diese Daten wöchentlich an die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC melden. Sie aktualisiert damit eine Karte, auf der die Gebiete in dem Farbcode gekennzeichnet sind.
Wie genau die Mitgliedstaaten mit der Klassifizierung umgehen, ist aber offen. Nur bei grünen Gebieten soll es keinerlei Beschränkungen geben. Ab orange können die Mitgliedstaaten Quarantäne oder Corona-Tests vorschreiben. Eine Höchstdauer der Selbst-Isolierung wird nicht vorgegeben. Die Tests sollen grundsätzlich nach Ankunft erfolgen. Es gibt aber auch die Option für Tests vor der Einreise.
Die Mitgliedstaaten werden darüber hinaus aufgefordert, die Öffentlichkeit frühzeitig über Reisebeschränkungen zu informieren. Empfohlen wird eine Vorwarnfrist von 24 Stunden. Die Beschränkungen werden auch auf der EU-Website "Re-open EU" veröffentlicht.
Zudem soll es ein EU-weit einheitliches Formular geben, das bei der Einreise ausgefüllt wird. Ausgenommen von Beschränkungen sollen Reisende sein, die "wesentliche Funktionen" erfüllen, etwa medizinisches Personal, Lkw-Fahrer, Diplomaten oder Journalisten.
Die ungarische Praxis, einem Großteil der EU-Bürger die Einreise zu verweigern, wäre nach den Leitlinien nicht mehr zulässig - auch da sie nach Einschätzung der EU-Kommission diskriminierend ist, weil Bürger aus drei EU-Ländern ausgenommen sind. Er gehe davon aus, dass Ungarn der EU-Entscheidung folgen werde, sagte ein EU-Diplomat. Da es sich aber lediglich um eine Empfehlung handele, sei es dazu nicht verpflichtet.
Die Empfehlungen müssen am Dienstag noch durch den Rat der Europaminister verabschiedet werden, um in Kraft zu treten. Mit der Entscheidung vom Freitag stehe dem aber "nun nichts mehr entgegen", sagte der Sprecher der Ratspräsidentschaft.
"Das ist nicht das Ende", kündigte der EU-Diplomat an. Es werde weitere Bemühungen geben, das Vorgehen der Mitgliedstaaten besser abzustimmen. "Das geht nicht so schnell voran, wie wir uns das gewünscht hätten, weil es sich um eine Frage nationaler Kompetenz handelt." Der Diplomat schloss nicht aus, dass sich auch die Staats- und Regierungschefs nochmals mit der Frage befassen könnten.
(L. Brown--BTZ)