Sydney: Vatikan-Finanzchef Pell wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht
Vatikan-Finanzchef George Pell ist wegen Missbrauchsvorwürfen in seiner Heimat Australien erneut vor Gericht erschienen. Der Kardinal äußerte sich am Montag zu Beginn einer vierwöchigen Anhörung in Melbourne zunächst nicht zu dem Vorwurf, vor Jahrzehnten als Geistlicher in Australien Jungen missbraucht zu haben. Der 76-jährige Vertraute von Papst Franziskus hat bisher alle Anschuldigungen vehement zurückgewiesen.
Pell ist der bislang ranghöchste katholische Geistliche, der sich wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht verantworten muss. Die Richterin Belinda Wallington soll in der Anhörung prüfen, ob es ausreichend Beweise für einen Prozess gegen den 76-Jährigen gibt. Sie will bis zu 50 Zeugen befragen. Die australischen Justizbehörden haben bislang keine Details zu den Vorwürfen gegen Pell veröffentlicht. Der Polizei zufolge gibt es aber "mehrere Kläger". Medienberichten zufolge wird Pell von zwei Männern bezichtigt, sie Ende der 70er Jahre missbraucht zu haben. Zudem soll er sich in den 80er Jahren nackt vor drei Jungen gezeigt haben.
Pells Anwalt Robert Richter warf der australischen Polizei am Montag unsaubere Methoden bei den Ermittlungen gegen den Kardinal vor. Die Verteidiger gaben demnach etliche Zeugenaussagen zugunsten Pells an die Ermittler weiter, die diese hätten berücksichtigen müssen. "Das haben sie nicht getan", kritisierte Richter.
In der Anhörung wollen Pells Verteidiger nach eigenen Angaben die Zeugen ins Kreuzverhör nehmen, um herauszufinden, wann sie ihre Missbrauchsvorwürfe erstmals vorgebracht haben. So wollen sie beweisen, dass die Anschuldigungen eine "neue Erfindung" sind. Nach ersten Anhörungen im Juli und Oktober hatten Pells Verteidiger bereits vergeblich versucht, Patientenakten der Kläger einsehen zu können. Das Gericht lehnte die Anträge ab.
Pell ist die inoffizielle Nummer drei in der Hierarchie des Vatikans. Der ehemalige Erzbischof von Sydney war 2014 von Papst Franziskus zum Finanzchef des Kirchenstaates ernannt worden. Der Papst hat ihn vom Dienst freigestellt, damit er sich in Australien den Vorwürfen stellen kann. Die ranghöchsten katholischen Geistlichen in Australien sicherten Pell ihre Unterstützung zu und lobten den Kardinal als "durch und durch anständigen Mann".
Die katholische Kirche wird bereits seit Jahren durch zahlreiche Missbrauchsfälle weltweit erschüttert. In Australien soll eine im Jahr 2012 nach jahrelangem Druck eingesetzte Kommission den Vorwürfen von weitverbreitetem Missbrauch in Kirchen, Waisenhäusern, Schulen und Jugendeinrichtungen auf den Grund gehen. Dafür befragte sie bislang fast 5000 Missbrauchsopfer. Vor der Kommission hatte Pell in der Vergangenheit persönliche Fehler im Umgang mit Vorwürfen gegen katholische Priester in den 70er Jahren eingeräumt.
(K. Berger--BTZ)