Tauziehen um Entsendung von Chemiewaffenexperten ins syrische Duma
Mehr als eine Woche nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff im syrischen Duma sind noch immer keine unabhängigen Ermittler vor Ort. Der Leiter der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW), Ahmet Üzümcü, beklagte am Montag bei einer Dringlichkeitssitzung in Den Haag, dass Moskau und Damaskus "Sicherheitsprobleme" anführten, die dem Besuch in Duma im Wege stünden. Die EU forderte nach den westlichen Luftangriffen eine Rückkehr an den Verhandlungstisch.
Russland und Syrien hätten den am Samstag in Damaskus eingetroffenen Experten unter Verweis auf "Sicherheitsprobleme" noch nicht erlaubt, nach Duma zu gehen, sagte Üzümcü in Den Haag. Die Experten der OPCW sollten am Sonntag mit ihren Untersuchungen in Duma beginnen, trafen sich jedoch lediglich mit Behördenvertretern in ihrem Hotel in Damaskus. Über ihren Zeitplan wurde eine strikte Nachrichtensperre verhängt.
Die Experten müssten "so schnell wie möglich" nach Duma gelangen, sagte der OPCW-Chef. Beweise für den Einsatz chemischer Waffen seien extrem flüchtig. Der US-Vertreter bei der OPCW verdächtigte Russland, in Duma Beweise manipuliert zu haben. "Wir gehen davon aus, dass die Russen vermutlich den Angriffsort besucht haben", sagte Ken Ward bei der Dringlichkeitssitzung in Den Haag. Die USA seien "besorgt", dass sie dort Dinge getan hätten, um die Ermittlungen der OPCW zu behindern.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte in einem Interview nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, er könne "garantieren", dass Russland den Ort des Geschehens nicht manipuliert habe. Der Westen macht die syrische Staatsführung für den mutmaßlichen Giftgasangriff vom 7. April in der Stadt Duma in der einstigen Rebellenenklave Ost-Ghuta verantwortlich. Bei der Attacke wurden nach Angaben von Helfern mehr als 40 Menschen getötet.
In der Nacht zum Samstag hatten die Streitkräfte der USA, Frankreichs und Großbritanniens Ziele in Syrien mit Raketen angegriffen. Nach Angaben aus Washington und Paris richteten sich die Angriffe gegen Einrichtungen zur Chemiewaffen-Produktion. Sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien mussten sich die Regierungen am Montag vor den Abgeordneten dafür rechtfertigten, ohne Zustimmung der jeweiligen Parlamente an den Angriffen teilgenommen zu haben.
Nach den Luftangriffen rief die EU zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Es müsse "die Dynamik der gegenwärtigen Situation genutzt werden, um den Prozess zur politischen Lösung des Syrien-Konflikts wiederzubeleben", erklärten die EU-Außenminister am Montag. Zugleich schlossen sie neue Sanktionen gegen Verantwortliche des syrischen Chemiewaffen-Programms nicht aus.
Die EU gehe davon aus, dass die Luftangriffe "spezifische Maßnahmen waren, die alleine das Ziel hatten, den weiteren Einsatz von Chemiewaffen oder chemischen Substanzen durch das syrische Regime zur Tötung seiner eigenen Bevölkerung zu verhindern", erklärten die 28 EU-Außenminister in Luxemburg. Damit blieben sie hinter der teils klaren Unterstützung durch einzelne Mitgliedstaaten oder die Nato vom Wochenende zurück.
Nach den jüngsten Ereignissen sei "es jetzt notwendig ist, alles dafür zu tun, dass es zu keiner Eskalation kommt", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in Luxemburg. Bei der Suche nach einer Lösung sei aber auch klar: "Ohne Russland wird man diesen Konflikt nicht lösen können."
Vor Beginn einer UN-Sicherheitsratssitzung am Abend in New York forderte Frankreich "reale, produktive und ernsthafte" Verhandlungen über einen neuen Resolutionsentwurf zu Syrien. Ziel des erneuten Entwurfs der USA, Frankreichs und Großbritanniens sei unter anderem Schutz der Zivilbevölkerung und eine politische Lösung des Konflikts, sagte der französische UN-Botschafter François Delattre.
Am Montag versammelten sich im Zentrum von Damaskus tausende Menschen, um die Vertreibung der Rebellen aus Ost-Ghuta zu feiern. Die Teilnehmer schwenkten syrische Flaggen und hielten Porträts von Assad hoch. Zudem demonstrierten sie gegen die westlichen Luftangriffe.
(L. Brown--BTZ)