Europäischer Gerichtshof verurteilt Deutschland wegen zu hoher Nitratbelastung
Deutschland hat jahrelang nicht genug gegen die zu hohe Nitratbelastung in seinen Gewässern unternommen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg urteilte am Donnerstag, die Bundesrepublik habe damit gegen die europäische Nitratrichtlinie verstoßen. Nitrat gelangt vor allem über das Düngen in der Landwirtschaft ins Wasser. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) verwies auf die 2017 verschärfte Düngeverordnung: Sie helfe, die Belastungen im Grundwasser zu senken. (Az.: C-543/16)
Die EU-Kommission hatte 2016 Klage gegen Deutschland vor dem EuGH eingereicht. Das inzwischen geänderte deutsche Düngerecht änderte nichts am Urteil, da der EuGH eine Vertragsverletzung "anhand der Lage" beurteilt, in der sich ein Mitgliedstaat bei Ablauf der von der EU gesetzten Frist befand, wie das Gericht betonte.
Demnach genügte die im Februar 2012 geänderte deutsche Düngeverordnung nicht den EU-Vorgaben. "Spätestens" im Sommer 2012 sei deutlich geworden, dass die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen gegen die hohe Nitratbelastung nicht ausreichten. Auch bis Ablauf einer Frist im September 2014 habe die Regierung nicht nachgebessert.
Mit Nitrat belastetes Wasser ist vor allem für Säuglinge gefährlich. Laut jüngsten Zahlen des Umweltbundesamtes von 2014 weisen 18 Prozent aller Kontrollstationen für Grundwasser eine erhöhte Belastung aus. Von den Messstellen mit landwirtschaftlich stark genutztem Einzugsgebiet sind es sogar 28 Prozent.
Die Wasserwirtschaft nannte die Verurteilung Deutschlands eine "Ohrfeige mit Ansage für die deutsche Landwirtschaftspolitik". Nun müsse "endlich eine verursachungsgerechte und umweltgerechte Lösung her", forderte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Eine Kehrtwende der deutschen Landwirtschaftspolitik sei dringend notwendig.
Das neue Düngerecht bringe keine wesentliche Reduzierung der Nitratbelastungen, kritisierte der BDEW. Er verwies auf eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie in seinem Auftrag, wonach die Nitratbelastung trotz der neuen Düngeverordnung weiterhin zu hoch ist.
Auch der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) hält es für notwendig, die aktuellen Regelungen des Düngerechts noch einmal zu überprüfen. Es spreche einiges dafür, dass die Regelungen etwa zu Sperrzeiten und zu Flächen, die für das Düngen ungeeignet sind, noch nicht ausreichten, erklärte der VKU.
Das SPD-geführte Bundesumweltministerium betonte, das Urteil führe einen grundsätzlichen Veränderungsbedarf in der Landwirtschaft vor Augen. Es gebe in einigen Regionen zu viele Tiere auf zu wenig Raum. "Wir brauchen weniger Intensivtierhaltung und mancherorts einen anderen Umgang mit Gülle."
Der Bauernverband dagegen erklärte, Deutschland habe mit der neuen Verordnung "weitreichende Anforderungen an die Düngung im Sinne des Gewässerschutzes geschaffen". Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview, bessere Werte seien "nur eine Frage der Zeit".
Die FDP forderte mehr Unterstützung für die Landwirte. Die Bundesregierung habe die Bauern in der Vergangenheit nicht dabei unterstützt, die Nitratgrenzwerte einzuhalten, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Judith Skudelny, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Hier müsse nachgebessert werden.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte Klöckner auf, "endlich eine Agrarpolitik für Mensch und Umwelt voranzutreiben, statt eine Politik für die Agroindustrie". Die SPD-Bundestagsfraktion verlangte eine "umfassende Revision" der Regelungen zur Düngung.
(B. Semjonow--BTZ)