Geldgier einer Krankenkasse oder sinnvolle Verbesserungsidee der AOK?
Die AOK hat eine stärkere Spezialisierung der Krankenhäuser gefordert, um die Behandlungsqualität und damit auch die Überlebenschancen der Patienten zu verbessern. Nicht nur bei Krebsoperationen, auch bei anderen planbaren Eingriffen wie dem Einsetzen von Hüftprothesen oder sogar in der Notfallversorgung sei "eine stärkere Zentralisierung nötig und möglich", heißt es in dem am Montag von der Kasse vorgestellten Krankenhausreport. Nur in wenigen Regionen müssten Patienten demnach längere Anfahrtswege in Kauf nehmen.
Dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (Wido) zufolge könnte zum Beispiel die Versorgung von Darmkrebspatienten durch eine Zentralisierung deutlich verbessert werden. Studien belegten bessere Langzeitüberlebensraten für Patienten, die in zertifizierten Zentren behandelt wurden. 2015 gab es demnach rund 44.000 Darmkrebsoperationen in mehr als 1000 Krankenhäusern. Ein Viertel davon nahm den Eingriff höchstens 17 Mal im Jahr vor, ein weiteres Viertel zwischen 18 und 33 Mal. Dürften nur noch zertifizierte Zentren diese Leistung erbringen oder würde eine Mindestmenge von 50 Darmkrebsoperationen pro Jahr eingeführt, blieben bundesweit nur 385 Kliniken für Darmkrebsoperationen übrig.
Der durchschnittliche Anfahrtsweg für Patienten würde sich bundesweit zwar von acht auf 16 Kilometer verdoppelt, wobei sich die längsten Fahrwege mit 33 Kilometern in Mecklenburg-Vorpommern ergäben. Letztlich müssten dem AOK-Report zufolge aber nur zweieinhalb Prozent der Patienten einen Weg von mehr als 50 Kilometern hinnehmen.
"Wenn sich die Therapiequalität erhöht und Überlebenschancen besser werden, sollten etwas längere Fahrstrecken kein Thema sein", erklärte Wido-Geschäftsführer Jürgen Klauber. Er verwies auf eine Studie der AOK Hessen, wonach drei Viertel der Patienten für einen Eingriff einen weiteren Weg in Kauf nehmen würden, um gut versorgt zu werden.
Auch bei Eingriffen wie Hüftgelenksoperationen zeigen Untersuchungen, dass ein Patient umso seltener binnen Jahresfrist erneut operiert werden muss, je häufiger in einer Klinik operiert wird. Bei einer Mindestmenge von 100 Operationen würde diese Leistung nicht mehr wie bisher von 1240 Kliniken, sondern noch von 827 erbracht.
"Die Diagnose, dass die mangelnde Konzentration von stationären Fällen zu unnötigen Todesfällen führt, wird von der Politik mittlerweile akzeptiert, auch wenn es mit der Therapie noch hapert", erklärte Reinhard Busse, Experte für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin. So verfügten nur gut 500 der 1300 Kliniken, die derzeit Schlaganfälle behandeln, über entsprechende Spezialeinheiten, sogenannte Stroke Units.
Busse hält es für gleichmaßen notwendig, Patienten mit Verdacht auf einen Herzinfarkt nur in Krankenhäusern mit einer modernen Herzdiagnostikanlage zu behandeln. Heute haben von den fast 1400 Krankenhäusern, die Patienten mit Herzinfarkten aufnehmen, weniger als 600 eine solche Spezialeinheit.
Es gehe nicht vordergründig um die Frage, "wie viele Kliniken es am Ende deutschlandweit gibt", erklärte AOK-Chef Martin Litsch. Ein deutlicher Schritt wäre es aber bereits, wenn Kliniken mit mehr als 500 Betten künftig nicht mehr die Ausnahme, "sondern die Regel" wären. Zudem sei es nicht möglich, alle heutigen Klinikstandorte mit ausreichend Personal zu versorgen.
(D. Meier--BTZ)