Studie: Corona-Krise verschärft Ungleichheit in Deutschland
Die Corona-Krise dürfte die Einkommensungleichheit in Deutschland laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung verschärfen. Anders als im vergangenen Jahrzehnt werde aktuell voraussichtlich "auch zumindest ein Teil der mittleren Einkommen zurückfallen und dadurch die Ungleichheit auf allen Ebenen wieder wachsen", warnte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Stiftung am Donnerstag bei der Vorstellung seines Verteilungsberichts.
"Menschen, die zuvor schon wenig hatten, sind besonders oft und besonders hart von wirtschaftlichen Verlusten betroffen", erklärte WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. Sie forderte eine stärkere Absicherung von Erwerbstätigen - insbesondere mit geringem Einkommen -, damit es Deutschland gelinge, "die Pandemie ohne tiefe gesellschaftliche Risse zu überstehen". Andernfalls könne auch die Identifikation weiter Teile der Bevölkerung mit der Demokratie in Deutschland geschädigt werden.
Bereits Ende Oktober hatte das WSI gewarnt und auf die ungleiche Verteilung von Einkommensverlusten in der Corona-Krise verwiesen. Den Daten des Instituts zufolge verlor bis Juni rund ein Drittel der Erwerbstätigen in Deutschland Einkommen. Unter den Befragten mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 900 Euro war es fast die Hälfte; in fast 60 Prozent der Fälle betrugen die Einbußen mindestens ein Viertel des üblichen Einkommens.
In der Einkommensgruppe über 4500 Euro waren dagegen nur rund 27 Prozent betroffen. Von ihnen beklagte deutlich weniger als jeder dritte Einbußen in Höhe von einem Viertel oder mehr. Die Forscher des WSI betonten am Donnerstag außerdem, die noch weitaus ungleicher verteilten Vermögen in Deutschland hätten sich "bislang als sehr resistent gegen die Krise erwiesen". Auch dies dürfte aus ihrer Sicht die soziale Ungleichheit hierzulande verstärken.
Vor diesem Hintergrund bekräftigte die Böckler-Stiftung ihre Forderung nach mehr flächendeckenden Tarifverträgen als Instrumente der Absicherung. Weiter forderte sie eine generelle Erhöhung des Kurzarbeitergelds und des Hartz-IV-Regelsatzes sowie eine längere Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I über 2020 hinaus bis zum Ende der Krise.
(S. Sokolow--BTZ)