Merz hofft auf Aufweichung von EU-Vorgaben für Neuwagen
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hofft auf deutliche Lockerungen der CO2-Vorgaben für Neuwagen in der EU. Er begrüßte am Freitag Signale aus Brüssel in dieser Richtung. Die EU-Kommission teilte zwar mit, die finale Entscheidung stehe noch aus, verwies jedoch darauf, dass Präsidentin Ursula von der Leyen in der Vergangenheit bereits "mehr Flexibilität" beim Erreichen der CO2-Ziele zugesichert habe. Die Umweltorganisation Transport & Environment forderte die Kommission auf, Forderungen der Autoindustrie nicht nachzugeben.
Merz sagte am Freitag, "nach allem, was wir bisher hören", werde die Kommission in der kommende Woche Vorschläge für mehr "Technologieoffenheit" machen. Es gehe um die Zukunft des "größten Industriesektor, den wir in Deutschland haben".
Der Kanzler sprach in Heidelberg im Anschluss an eine Veranstaltung der Europäischen Volkspartei (EVP). Deren Vorsitzender Manfred Weber (CSU) hatte am Donnerstag unter Verweis auf ein Gespräch mit von der Leyen verkündet, die Kommission habe sich bereits festgelegt. "Bei Neuzulassungen ab 2035 soll nun statt 100 Prozent eine 90-prozentige Reduktion des CO2-Ausstoßes für die Flottenziele der Automobilhersteller verpflichtend werden", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Was eine 90-prozentige Reduktion genau bedeutet, blieb offen. Die derzeitigen CO2-Flottengrenzwerte der EU sehen vor, dass neu zugelassene Pkw ab 2035 kein CO2 mehr ausstoßen dürfen. Tun sie es doch, müssen die Hersteller Strafe zahlen. Häufig ist deshalb vom faktischen Aus des Verbrennermotors die Rede. Weber bekräftigte in Heidelberg, dass die EU-Kommission das "Verbrenner-Verbot" abschaffen wolle.
Brüssel bestätigte dies weiterhin nicht. "Gerade heute trifft sich die Präsidentin beispielsweise auch mit Vertretern der Grünen Partei, und sie führen Gespräche", sagte eine Kommissionssprecherin. Mancher entscheide sich im Anschluss an interne Gespräche dazu, darüber öffentlich zu sprechen, "andere tun dies nicht". Für die Kommission könne sie lediglich sagen, "dass die Gespräche noch andauern".
Die offenbar geplante Aufweichungen der Flottengrenzwerte findet nicht nur in der deutschen Politik große Zustimmung: Im ZDF-"Politbarometer" sagten knapp zwei Drittel der Befragten (63 Prozent), auch ab 2035 sollten noch Autos mit Verbrennungsmotor neu zugelassen werden. 32 Prozent der Befragten sprachen sich in der am Freitag veröffentlichten Umfrage dagegen aus, darunter 81 Prozent der Grünen-Anhänger und 60 Prozent der Linken-Anhänger.
Ökonomen hingegen sehen die sich anbahnende Kehrtwende in Brüssel kritisch. "Ich kann der Kehrtwende, ab 2035 doch wieder neue Diesel und Benziner in der EU zuzulassen, so viel Gutes nicht abgewinnen", sagte der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Das ist eine Kopfschmerztablette, keine Heilung."
Die Klimaökonomin Claudia Kemfert sprach von einem "schweren Fehler". "Wer jetzt am Verbrenner festhält, riskiert Wettbewerbsnachteile gegenüber Ländern, die konsequent auf Elektromobilität setzen", sagte sie der "Frankfurter Rundschau".
Die Umweltorganisation T&E rief EU-Kommission auf, den Forderungen der Autoindustrie und der deutschen Bundesregierung nicht nachzugeben. "Die Kommission muss jetzt einfach Rückgrat beweisen und zeigen, dass man dieses Spiel nicht mitspielt", sagte T&E-Deutschlandchef Sebastian Bock der Nachrichtenagentur AFP.
Neben den Autoherstellern und -zulieferern sieht auch das Kfz-Handwerk eine mögliche Lockerung der CO2-Vorgaben positiv. "Für Reparaturbetriebe bedeutet dies eine deutliche Stabilisierung ihrer wirtschaftlichen Perspektive", erklärte der Bundesinnungsmeister des Kfz-Handwerks, Detlef Peter Grün. "Die parallele Fortführung effizienter Verbrennungsmotoren, Hybridantriebe und alternativer Kraftstoffe erlaubt eine kontinuierliche Auslastung der Werkstätten."
I. Johansson--BTZ