Das SID-Kalenderblatt am 26. April 2020: Als München die Olympischen Spiele erhielt
Hans-Jochen Vogel fehlten zunächst die Worte, als Willi Daume ihm von seiner Idee berichtete. Olympische Spiele in München? Das überstieg an diesem Donnerstag im Oktober 1965 für einige Augenblicke die Fantasie des Oberbürgermeisters der bayerischen Landeshauptstadt. "Ich war sprachlos", erinnerte sich Vogel zum 40-jährigen Jubiläum der Spiele 1972 in einem Interview mit dem Sport-Informations-Dienst, "der Gedanke war außerhalb unserer Vorstellung."
Als Vogel, Oberbürgermeister von München von 1960 bis 1972, seine Sprache wiedergefunden hatte, sagte er zu seinem Gast: "Herr Daume, Sie sind Mitglied des IOC, sie werden mir jetzt erklären können, warum sie glauben, dass eine solche Bewerbung Aussichten hat." Daume, legendärer Präsident des Nationalen Olympischen Komitee (NOK) der Bundesrepublik Deutschland (1961 bis 1992), war in der folgenden Argumentation offensichtlich sehr überzeugend.
Vogel bat um drei Tage Bedenkzeit, "es waren sehr lebhafte drei Tage". Viele Fragen standen im Raum: Kann München die Voraussetzungen erfüllen? Machen das Land und der Bund mit? Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Und schließlich musste geklärt werden, "wie wir den Unterschied gegenüber 1936, als die Olympischen Spiele in Berlin vom NS-Gewaltregime in jeder Hinsicht missbraucht wurden, darstellen, wie wir da ein Gegenbild liefern können. Das waren die Hauptpunkte".
Drei lebhafte Tage nach dem Besuch von Daume bei Vogel am 28. Oktober 1965 war dann klar: Ja, München will es wagen. Nur 60 Tage später, am 31. Dezember 1965, wurde die Bewerbung beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) eingereicht, am 26. April 1966 dann kam es in Rom zur Abstimmung. Neben München hatten sich Montreal, Madrid und Detroit beworben. Amsterdam und Wien waren trotz einer Verlängerung der Bewerbungsfrist bis 20. Januar 1966 ausgestiegen.
(H. Müller--BTZ)