Merkel ruft bei Petersberger Klimadialog zu größeren Anstrengungen auf
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auf dem Petersberger Klimadialog zu größeren Anstrengungen im Kampf gegen die Erderwärmung aufgerufen. Es gehe um "lebenswerte Bedingungen auch für künftige Generationen", sagte Merkel am Donnerstag. "Dafür müssen wir heute handeln, ambitioniert und solidarisch", hob sie hervor.
Am Klimadialog, der wegen der Pandemie noch bis Freitag digital stattfindet, nehmen Umweltminister und andere hochrangige Regierungsvertreter aus rund 40 Ländern teil. Ziel der Veranstaltung ist es, sich über den Stand der internationalen Klimaverhandlungen auszutauschen und die UN-Klimakonferenz im November in Glasgow vorzubereiten. Deutschland wolle dazu beitragen, dass diese Konferenz ein Erfolg werde, sagte Merkel.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hob hervor, es gebe weltweit eine neue Dynamik im Kampf gegen den Klimawandel. "Es bewegt sich gewaltig etwas – auch in Deutschland", sagte Schulze zur Eröffnung des sogenannten Ministersegments des Dialogforums. Sie nehme das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anlass, "beim Klimaschutz in Deutschland noch eine Schippe drauf zu legen und unser Klimaschutzgesetz anzuschärfen".
Merkel bekräftigte in diesem Zusammenhang, dass Deutschland sein Klimaziel für 2030 auf eine CO2-Minderung von 65 Prozent verschärfen und Treibhausgasneutralität bereits 2045 erreichen wolle. Das neue Klimagesetz bedeute auch eine Anpassung der Sektorziele für einzelne Wirtschaftszweige an die strengeren Emissionsvorgaben. Als geeignetes Lenkungsinstrument sehe sie hierfür die CO2-Bepreisung, möglichst künftig auch weltweit.
Die Kanzlerin bekannte sich auch zu einem "fairen Beitrag" Deutschlands zur internationalen Klimafinanzierung, um ärmere Länder bei Klimaschutz und Anpassung an Klimafolgen zu unterstützen. Neue Finanzzusagen machte sie aber in ihrer Rede nicht, sondern verwies auf die bevorstehenden Verhandlungen in Glasgow. Trotz der Belastungen durch die Corona-Pandemie dürfe aber die "internationale Verantwortung nicht nachlassen", hob sie hervor.
Auch der britische Premierminister Boris Johnson verwies auf dem Klimadialog auf die "moralische und praktische Verpflichtung, anderen zu helfen".
Die Entwicklungsorganisation Care wertete das Nachschärfen der deutschen Klimaziele als "positives Signal", forderte aber eine Aufstockung der deutschen Mittel zur Unterstützung der Entwicklungsländer. Der Auftritt Merkels sei "enttäuschend bei der Unterstützung für globalen Süden", kritisierte der politische Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals.
Merkel hatte in ihrer Rede auf bereits geleistete jährliche Zahlungen von mehr als vier Milliarden Euro verwiesen, einschließlich von Förderkrediten sogar 7,6 Milliarden Euro. Eine Erhöhung der direkten Zahlungen auf acht Milliarden Euro forderte jedoch auch der Umweltverband WWF.
Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser kritisierte zudem das neue Emisssionsziel von 65 Prozent als unzureichend für das Erreichen der Pariser Klimaziele. Greenpeace-Aktivisten demonstrierten am Brandenburger Tor in Berlin für ein 70-Prozent-Ziel.
"Ich freue mich, wenn sich die Bundesregierung endlich zu höheren Klimazielen durchringt", erklärte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. "Nötig wären aber minus 70 Prozent", forderte er eine weitere Verschärfung des Emissionsziels. Zudem seien die Ziele ohne konkrete Maßnahmen wie einen schnelleren Kohleausstieg nur "ungedeckte Schecks". Auch Hofreiter forderte eine Verdopplung der deutschen Klimahilfen auf acht Milliarden Euro.
Kritische Töne auch zu dem 65-Prozent-Ziel kamen von Wirtschaftsvertretern. "Die hektische Verschärfung der nationalen Klimaziele erhöht die Unsicherheit für Wirtschaft und Verbraucher", warnte der Bundesverband der Deutschen Industrie.
(O. Karlsson--BTZ)