Mitte-Rechts-Opposition gewinnt Parlamentswahl in Litauen
Die Mitte-Rechts-Opposition in Litauen hat die Parlamentswahl gewonnen. Der konservative Vaterlandsbund von Ex-Finanzministerin Ingrida Simonyte gewann 50 der insgesamt 141 Sitze im Parlament in Vilnius und nahm am Montag Koalitionsgespräche auf. Es wird erwartet, dass Simonyte eine Regierung mit zwei liberalen Parteien bildet, die beide ebenfalls von Frauen geführt werden und elf beziehungsweise 13 Mandate gewannen.
Die in der Wahl unterlegene, noch regierende Mitte-Links-Partei Bund der Bauern und Grünen von Ministerpräsident Saulius Skvernelis kam nach Auszählung fast aller Stimmen nur auf 32 Sitze im Parlament. Die Ergebnisse zeigten die politische Kluft zwischen städtischen und ländlichen Gegenden im Land, in dem hohe soziale Ungleichheit herrscht.
Der scheidende Regierungschef Saulius Skvernelis ist vor allem bei der ärmeren, ländlichen Bevölkerung beliebt. Er hatte versprochen, bei einer Wiederwahl weiter gegen soziale Ungleichheit kämpfen zu wollen. Simonyte, Fan von Rockmusik und Eishockey, gilt vor allem unter jungen Menschen in Städten als beliebt.
"Ich glaube, sie würde wegen ihrer Wertvorstellungen und ihrem Denkvermögen mit der Situation besser umgehen als die jetzigen Verantwortlichen. Sie ist taff, aber sucht auch den Dialog", sagte die 33-jährige Simona Dirse, die bei einer Versicherung in Vilnius arbeitet, der Nachrichtenagentur AFP.
Beobachter gehen davon aus, dass die Koalitionsverhandlungen Wochen dauern werden. Die neue Regierung wird demnach wohl erst im Dezember vereidigt. "Nichts ist beschlossen, bis alles beschlossen ist", sagte die 45-jährige Simonyte vor Reportern.
Der Wahlkampf in dem Baltenstaat mit seinen 2,8 Millionen Einwohnern war von der Corona-Pandemie überschattet worden, obwohl die Sterblichkeitsrate in Litauen unter dem EU-Durchschnitt liegt. Auch die Wirtschaft leidet vergleichsweise wenig unter der Pandemie; der Internationale Währungsfonds rechnet mit einem Abschwung von 1,8 Prozent. Dies wäre der kleinste Einbruch innerhalb der Gruppe der Euro-Länder.
Simonyte kritisierte ein "Durcheinander bei den Beschlüssen" der amtierenden Regierung und warf ihr vor, die Sommermonate zur Vorbereitung auf die zweite Corona-Welle nicht genutzt zu haben. "Wenn wir der Regierung nur wenig vertrauen, hört die Gesellschaft nicht unbedingt auf ihre Empfehlungen. Uns fehlte die Stimme von Experten, Wissenschaftlern und Medizinern", sagte sie.
Ihre Erfahrung als ehemalige Finanzministerin, die mit den Folgen der globalen Finanzkrise umgehen musste, wurde von Wählern als hilfreich für den Kampf gegen die Pandemie ausgelegt.
"Die Wähler waren die regierende Koalition leid und wollten einen Wechsel in der politischen Landschaft", sagte Ramunas Vilpisauskas, Professor an der Universität Vilnius, AFP. Er sehe allerdings keinen Grund, die Außenpolitik des Landes zu verändern.
Alle großen Parteien des Landes positionieren sich gemeinsam für die EU und die NATO. Sie sind sich einig, dass die EU die demokratische Opposition im Nachbarland Belarus unterstützen sollte.
(K. Petersen--BTZ)