Gespräche in Moskau wecken Hoffnung auf Waffenruhe in Berg-Karabach
Nach der Aufnahme direkter Gespräche zwischen den verfeindeten Nachbarstaaten Armenien und Aserbaidschan in Moskau wachsen die Hoffnungen auf eine Waffenruhe in der umkämpften Südkaukasus-Region Berg-Karabach. Das russische Außenministerium veröffentlichte am Freitag ein Foto, das die Außenminister beider Konfliktparteien am Verhandlungstisch zeigt. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew bezeichnete die Gespräche als letzte Gelegenheit, um zu einer friedlichen Lösung in dem Konflikt zu kommen.
"Wir geben Armenien eine Chance, den Konflikt friedlich zu lösen. Dies ist ihre letzte Chance", sagte Alijew in einer Fernsehansprache. Allerdings werde es keine Verhandlungen geben, falls Armeniens Außenminister die Haltung einnehmen sollte, dass Berg-Karabach zu Armenien gehöre. "Wir werden unser Land zurückgewinnen und unsere territoriale Integrität wiedererlangen", betonte Alijew.
Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan erklärte, sein Land sei "bereit zur Wiederaufnahme des Friedensprozesses" unter internationaler Schirmherrschaft. Seit einem fragilen Waffenstillstandsabkommen von 1994 vermittelt die sogenannte Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zwischen den Konfliktparteien.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) forderte eine umgehende Waffenruhe ohne Vorbedingungen. Danach müsse es einen sofortigen Waffenstillstand geben, sagte Maas nach Angaben einer Sprecherin während eines Telefonats mit dem aserbaidschanischen Außenminister. Die Bundesregierung sehe "beide Seiten im Konflikt gleichermaßen in der Pflicht", zu einer Lösung beizutragen.
Frankreich äußerte sich vor den Gesprächen in Moskau vorsichtig optimistisch. "Wir bewegen uns auf eine Waffenruhe heute Abend oder morgen zu", erklärte das Büro von Präsident Emmanuel Macron nach Telefonaten mit Paschinjan und Alijew. Die Lage sei aber noch "sehr zerbrechlich".
Der Konflikt um Berg-Karabach und angrenzende Gebiete war Ende September wieder aufgeflammt. Armenien und Aserbaidschan machen sich gegenseitig für Angriffe auf zivile Einrichtungen und die Zivilbevölkerung verantwortlich. Die genaue Zahl der Opfer ist unklar, doch wurden bereits mindestens 400 Menschen getötet. Zehntausende flohen aus der umstrittenen Region.
Zu den Gesprächen nach Moskau eingeladen hatte Russlands Präsident Wladimir Putin nach Telefonaten mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Alijew und dem armenischen Regierungschef Paschinjan. Ziel der Gespräche unter der Vermittlung des russischen Außenministers Sergej Lawrow ist nach Kreml-Angaben ein Ende der Gefechte.
Trotz der Einigung auf die Gespräche kam es auch am Freitag wieder zu heftigen Gefechten. Aserbaidschanische und armenische Sicherheitskreise meldeten weitere zivile Todesopfer durch nächtliche Angriffe. Tagsüber gingen die Luftangriffe auf die Hauptstadt von Berg-Karabach, Stepanakert, weiter, wie ein AFP-Reporter vor Ort berichtete. Zu hören waren mehrere laute Explosionen. Eine Rakete schlug neben einem Soldatenfriedhof ein.
Seit Beginn der Kämpfe wurden in Stepanakert sowie in aserbaidschanischen Dörfern entlang der Frontlinie dutzende Häuser zerstört oder beschädigt. Am Donnerstag warf Armenien den aserbaidschanischen Truppen zudem vor, die historische Kathedrale Christi des Heiligen Retters in der Stadt Schuscha beschossen und schwer beschädigt zu haben.
Berg-Karabach hatte während des Zerfalls der Sowjetunion einseitig seine Unabhängigkeit erklärt. Darauf folgte in den 90er Jahren ein Krieg mit 30.000 Toten. Die selbsternannte Republik Berg-Karabach wird bis heute international nicht anerkannt und gilt völkerrechtlich als Teil Aserbaidschans. Sie wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt.
Das ölreiche Aserbaidschan hat militärisch in den vergangenen Jahren aufgerüstet. Das turksprachige Land kann auf die Türkei als Verbündeten zählen. Experten sehen es als erwiesen an, dass Ankara Aserbaidschan mit Waffen unterstützt.
(N. Lebedew--BTZ)