Start der Europäischen Staatsanwaltschaft droht sich zu verzögern
Der für November geplante Start der Europäischen Staatsanwaltschaft droht sich zu verzögern. Die Leiterin der neuen Behörde, Laura Codruta Kövesi, sagte der Nachrichtenagentur AFP vor dem Treffen der EU-Justizminister am Freitag, dutzende Stellen seien derzeit noch unbesetzt. Zudem fehlten für das Budget 2021 gut 17 Millionen Euro. Auch EU-Justizkommissar Didier Reynders sah noch "eine Menge Probleme". Er forderte die Mitgliedstaaten auf, diese schnell zu lösen.
Die Europäische Staatsanwaltschaft soll gegen Straftaten zu Lasten des EU-Haushaltes vorgehen. Dabei geht es um Korruption, Geldwäsche, die Veruntreuung von EU-Geldern und um grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug. Die Behörde kann auf nationaler Ebene selbst Ermittlungen führen, die Beschlagnahme von Vermögenswerten veranlassen, Haftbefehle gegen Verantwortliche beantragen und Anklage erheben.
Behördenleiterin Kövesi und Justizkommissar Reynders informierten am Freitag die EU-Justizminister über die Lage bei den Vorbereitungen. "In vielen Mitgliedstaaten haben wir massiven Betrug mit Corona-Hilfsmitteln erleben müssen", sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) danach. "Das zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass die Europäische Staatsanwaltschaft bald eigene Ermittlungen beginnt."
Die EU-Staaten hatten die bekannte rumänische Anti-Korruptionsermittlerin Kövesi vor gut einem Jahr damit beauftragt, die Behörde aufzubauen und zu leiten. Sie legte Ende September mit den Staatsanwälten der 22 teilnehmenden Mitgliedstaaten ihren Amtseid ab.
Ihre Arbeit kann die Behörde aber erst aufnehmen, wenn auch die 140 delegierten Staatsanwälte bestellt sind. Denn sie führen auf nationaler Ebene die eigentlichen Ermittlungen.
Kövesi wollte sich vor diesem Hintergrund nicht zu dem geplanten Starttermin ihrer Behörde im November äußern. "Die Mitgliedstaaten wählen sie aus und schlagen sie vor", sagte sie AFP zu den delegierten Staatsanwälten. "Solange sie nicht da sind, können wir nicht ermitteln."
Auch in der Zentrale in Luxemburg mangele es noch an Personal, sagte sie weiter. "Uns fehlen Analysten, Finanzermittler, juristische Berater". Insgesamt seien "noch 80 Posten" unbesetzt.
Kövesi beklagte auch unzureichende Haushaltsmittel für das kommende Jahr. "Der Vorschlag der EU-Kommission für 2021 beläuft sich auf 37,5 Millionen Euro", sagte sie. "Aber wir brauchen 55 Millionen Euro."
Dies seien im Vergleich zum Nutzen, den die Staatsanwaltschaft bringen könne, "Peanuts", betonte die Rumänin. Sie verwies auf Schätzungen, wonach die von der Staatsanwaltschaft verfolgten Delikte jährlich einen Schaden zwischen 30 und 60 Milliarden Euro in der EU verursachen.
Daneben gibt es auch noch rechtliche Hürden: Bisher habe erst "gut die Hälfte der Mitgliedstaaten ihre nationalen Gesetze angepasst, um die Europäische Staatsanwaltschaft in ihren Rechtsrahmen zu integrieren", sagte Kövesi. Dies ist nötig, um den europäischen Staatsanwälten überhaupt Ermittlungsbefugnisse auf nationaler Ebene zu geben.
"Wir tun alles, was möglich ist, um dieses Jahr zu starten", sagte Reynders nach dem Treffen. Der Justizkommissar hat demnach einen Brief an die Mitgliedstaaten geschrieben, damit diese ihre Gesetzgebung rechtzeitig anpassen und schnell die delegierten Staatsanwälte bestellen. Zur Erhöhung des Budgets laufen ihm zufolge Verhandlungen der Mitgliedstaaten mit dem EU-Parlament.
(O. Joergensen--BTZ)