![Überwiegend positive Regierungsbilanz zum Stand der Einheit - Kritik vom DGB](https://www.berlinertageszeitung.de/media/shared.btz/images/img-auto/73/74/4b/--berwiegend-positive-Regierungsbil-2020-09-16.jpg)
Überwiegend positive Regierungsbilanz zum Stand der Einheit - Kritik vom DGB
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Trotz anhaltender Unterschiede zwischen Ost und West in der Wirtschaftskraft zieht die Bundesregierung 30 Jahre nach der deutschen Einheit eine überwiegend positive Bilanz. Allerdings stelle das Erreichte nicht alle Bürger "gleichermaßen zufrieden", heißt es in dem am Mittwoch vorgestellten Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit. Der Ostbeauftragte Marco Wanderwitz (CDU) mahnte angesichts stärkerer rechtsextremer Tendenzen in den neuen Ländern weitere Anstrengungen zur Stärkung der Demokratie an.
Die durchschnittliche Wirtschaftskraft der neuen Bundesländer inklusive Berlin erreichte dem Regierungsbericht zufolge gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Einwohner 2019 ein Niveau von 79,1 Prozent des gesamtdeutschen Durchschnitts. An das Westniveau habe der Osten noch nicht anknüpfen können: "Auch 30 Jahre nach dem Fall der Mauer hat noch kein Flächenland der neuen Bundesländer das Niveau des westdeutschen Landes mit der niedrigsten Wirtschaftskraft erreicht."
Die verfügbaren Haushaltseinkommen erreichten im Jahr 2018 rund 88,3 Prozent des Bundesdurchschnitts. Einzelne Länder wie Sachsen und Brandenburg hätten hier bereits zum Niveau des einkommensschwächsten westlichen Landes - des Saarlands - aufgeschlossen.
Für den anhaltenden Abstand bei der Wirtschaftskraft macht der Bericht eine Reihe von strukturellen Faktoren im Osten verantwortlich, etwa die geringere Siedlungsdichte, die traditionell ländlichere Prägung und die geringere Bedeutung von Ballungsräumen.
Die gesamte wirtschaftliche Entwicklung sei aber "positiv" zu bewerten: Sie zeige sich "am Niveau der Wirtschaftsleistung, am spürbaren und deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit wie auch an einer breit aufgestellten Unternehmens- und Forschungslandschaft, die in vielen Bereichen technologische Exzellenz aufweist".
Die Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte seien für viele Bürger "mit Sorgen und Verunsicherungen verbunden, die zu neuen Polarisierungen in unserer Gesellschaft geführt haben", heißt es in dem Bericht, der erstmals unter der Federführung des neuen Ostbeauftragten Wanderwitz erstellt wurde.
Wanderwitz sagte zur Debatte um die Bewertung der Demokratie, hier gebe es noch "strukturelle Probleme". Dies zeige sich insbesondere beim Rechtsextremismus, der in den neuen Ländern "ausgeprägter" sei. Dies sei eine "Baustelle für uns als Zivilgesellschaft".
Der Ostbeauftragte sprach insgesamt von einer "überwiegend positiven Bilanz". Deutschland sei sich in vielen Bereichen ähnlicher geworden, auch wenn es noch "messbare und sichtbare" Unterschiede etwa bei den Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten gebe.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nannte als "großes Problem insbesondere für das Steueraufkommen, dass sich die Zentralen der großen Konzerne allein im Westen befinden". Der Bund müsse daher auch künftig "auf die Angleichung der Lebensverhältnisse besonderes Augenmerk legen", erklärte er.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte politische Maßnahmen gegen das Lohngefälle zwischen Ost und West. Der Gesetzgeber könnte es etwa erleichtern, Tarifverträge für allgemein verbindlich zu erklären, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Auch könnte er vorschreiben, dass nur noch solche Unternehmen bei der öffentlichen Auftragsvergabe zum Zug kommen, die auch Tariflöhne zahlen." Das sei in vielen Bundesländern der Fall, aber noch nicht in allen.
Die Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt forderte, die Bundesregierung müsse "weit mehr unternehmen, damit sich die bestehenden materiellen Ungleichheiten, die das Leben vieler Menschen im Osten prägen, nicht dauerhaft verfestigen".
Der Ost-Beauftragte der Linken-Bundestagsfraktion, Matthias Höhn, erklärte mit Blick auf die längeren Arbeitszeiten und den geringeren Verdienst, die Unterschiede zwischen Ost und West seien "weder wenige noch graduell". Er warf der Bundesregierung vor, sie habe sich auch zum 30. Jahrestag "ihr eigenes Gefälligkeitsgutachten" ausgestellt.
(O. Larsen--BTZ)