Ukraine-Gespräche in Berlin: Selenskyj plädiert für Einfrieren des Frontverlaufs
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist zu den mit Spannung erwarteten Gesprächen über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs in Berlin eingetroffen. Dies bestätigte Präsidentenberater Dmytro Lytwyn am Sonntag vor Journalisten. Selenskyj sagte seinerseits vor seiner Ankunft vor Reportern, er wolle die US-Unterhändler bei dem Treffen davon überzeugen, den Frontverlauf in der Ukraine einzufrieren. In Berlin sollten sich ukrainische Vertreter unter anderem mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff treffen.
Zum Verhandlungsziel der Ukraine sagte Selenskyj noch vor seiner Ankunft in Berlin vor Journalisten: "Die gerechteste mögliche Option ist, stehenzubleiben, wo wir sind." Er fügte an: "Es handelt sich um einen Waffenstillstand: Die Parteien bleiben auf ihren Stellungen und versuchen anschließend, alle gemeinsamen Probleme auf diplomatischem Wege zu lösen." Selenskyj sagte, er wisse, dass Russland dies "nicht positiv" sehe und würde sich "wünschen, dass die Amerikaner uns in dieser Frage unterstützen".
Selenskyj unterstrich zudem die zentrale Bedeutung glaubhafter Sicherheitsgarantien für sein Land. Die "bilateralen Sicherheitsgespräche" sähen einen Mechanismus vor, der an die Beistandsklausel in Artikel 5 des Nato-Vertrags angelehnt sei. Und dies ohne dass die Ukraine der Nato beitreten würde. Dies sei "bereits ein Kompromiss unsererseits", sagte Selenskyj.
Das diplomatische Ringen um ein Ende des Ukraine-Krieges verlagert sich ab Sonntag nach Berlin: Der US-Sondergesandte Witkoff will sich dort nach Angaben des Weißen Hauses mit Selenskyj und europäischen Staatenlenkern treffen. Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen führen zunächst die außenpolitischen Berater "unter anderem der USA und der Ukraine" Gespräche "zu einem möglichen Waffenstillstand in der Ukraine".
Selenskyj wird am Montag laut der Bundesregierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu deutsch-ukrainischen Wirtschaftsgesprächen und einem "Austausch über den Stand der Friedensverhandlungen" empfangen. Am Abend sollten dann zahlreiche europäische Staats- und Regierungschefs sowie die Spitzen von EU und Nato zu den Gesprächen hinzustoßen.
Merz hatte im Vorfeld in Aussicht gestellt, dass noch am Wochenende in Berlin die Ansätze für ein Ende des Ukraine-Kriegs "abschließend" erörtert würden.
Die USA hatten vor gut drei Wochen einen Plan zur Beendigung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vorgelegt, der in seiner ursprünglichen Fassung als sehr Moskau-freundlich galt. Auf Drängen der Ukraine und ihrer europäischen Verbündeten wurde das Papier in zentralen Punkten überarbeitet.
Am Mittwochabend schickte die Ukraine eine neue Fassung nach Washington, am Donnerstag machte Selenskyj erstmals nähere Angaben zum aktuellen Verhandlungsstand. Demnach drängen die USA die Ukraine weiterhin zu erheblichen territorialen Zugeständnissen an Russland. Zur Region Donezk sagte Selenskyj, nach den Vorstellungen der USA solle eine "freie Wirtschaftszone" in jenem Teilgebiet entstehen, das derzeit unter ukrainischer Kontrolle stehe.
Nach Angaben aus Verhandlungskreisen vom Freitag sieht der Entwurf zudem einen EU-Beitritt der Ukraine bereits ab Januar 2027 vor. Die EU selbst stuft einen derart frühen Beitritt aber als unrealistisch ein. EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos Marko nannte am Samstag in einem Interview mit Deutschlandfunk 2030 als frühestmögliches Datum.
Unterdessen warf die Ukraine Russland einen erneuten Angriff auf ein türkisches Schiff im Schwarzen Meer vor. Russland habe einen "gezielten Drohnenangriff" auf das Schiff "Viva" geflogen, das mit Sonnenblumenöl beladen auf dem Weg nach Ägypten gewesen sei, teilte die ukrainische Marine am Samstag mit. Die elf Besatzungsmitglieder blieben demnach unverletzt und konnten die Fahrt fortsetzen.
Bereits am Freitag war nach ukrainischen Angaben ein türkisches Schiff kurz nach dem Anlegen im ukrainischen Schwarzmeerhafen Tschornomorsk bei einem russischen Raketenangriff in Brand geraten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan forderte bei einem Gespräch mit Kreml-Chef Wladimir Putin am Rande eines Gipfeltreffens in Turkmenistan eine Waffenruhe für Energieanlagen und Häfen.
Die Türkei hatte bereits zuvor Angriffe auf Schiffe im Schwarzen Meer kritisiert. Auch die Ukraine griff dort Schiffe an - nach Angaben aus Kiew zielten die Attacken auf Öltanker der russischen Schattenflotte zur Umgehung der internationalen Sanktionen gegen Moskau.
C. Fournier--BTZ