Merkel fordert von EU-Parlament Kompromissbereitschaft im Finanzstreit
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vom Europaparlament Kompromissbereitschaft im Streit um den künftigen EU-Haushalt und den milliardenschweren Corona-Hilfsfonds gefordert. "Wir werden alle aufeinander zugehen müssen", sagte Merkel am Mittwoch in der Volksvertretung in Brüssel, wo sie das Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vorstellte. Sie betonte dabei die Notwendigkeit des Zusammenhalts in der Krise und den Stellenwert der Grundrechte für den Erhalt Europas.
Sie wolle heute schon darauf hinweisen, "dass wir sicherlich (...) auch hier mit dem Parlament Kompromissbereitschaft brauchen werden", sagte Merkel. Denn die Vorstellungen über die Ausgestaltung des nächsten Sieben-Jahres-Haushalts der EU und den Corona-Hilfsfonds gingen schließlich "unter den Mitgliedstaaten noch weit auseinander".
Merkel verwies dabei auf die Forderung des Parlaments nach mehr Eigenmitteln der EU. Sie sollen etwa über eine neue Steuer für Digitalunternehmen oder die Ausweitung des Emissionshandels generiert werden.
Diese Mittel seien jedoch häufig schon in den nationalen Haushalten verplant, wandte Merkel ein. "Wir müssen da aufeinander Rücksicht nehmen". Neue Abgaben in Form "genereller Steuererhöhungen" wären in der gegenwärtigen Krise zudem nicht die richtige Antwort.
Auch beim Thema Rechtsstaatlichkeit forderte Merkel Geduld. EU-Kommission und Parlament wollen die Möglichkeit, bei rechtsstaatlichen Mängeln in den Mitgliedstaaten die Zahlung von EU-Mitteln zu kürzen. Das Thema Rechtsstaatlichkeit habe auch für Deutschland "absolute Priorität", sagte die Kanzlerin. Aber es brauche zunächst eine Basis für eine Einigung zum Mehrjahreshaushalt und dem Wiederaufbaufonds.
Merkel warb für eine baldige Verabschiedung des Aufbaufonds gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. "Die Tiefe des wirtschaftlichen Einbruchs mahnt uns zur Eile", sagte sie. Es gebe keine Zeit zu verlieren, denn sonst würden die Schwächsten besonders leiden.
Ein konkretes Zieldatum nannte Merkel allerdings nicht. Sie sprach lediglich vom "Sommer". Eigentlich ist Ziel bisher, den Mehrjahreshaushalt und den Fonds, für den die EU-Kommission 750 Milliarden Euro vorgeschlagen hat, bei einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am 17. und 18. Juli zu beschließen. Allerdings sind Details der Vorhaben unter den Mitgliedstaaten noch hoch umstritten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte eindringlich vor einer Wiederholung der Folgen der Finanz- und Schuldenkrise ab 2008. Das sei für viele in der EU "traumatisch" gewesen. "Diese Krise jetzt ist noch tiefer und breiter." Deshalb müsse "in den kommenden Wochen" eine Einigung über den Corona-Hilfsplan erzielt werden.
Der Vorschlag der Kommission sei für das Parlament "ein Startpunkt", betonte EU-Parlamentspräsident David Sassoli nach der Begrüßung Merkels. "Wir können und dürfen nicht dahinter zurückfallen." Merkel nannte als Summe für den Hilfsfonds die 500 Milliarden Euro, die sie mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vorgeschlagen hatte.
In ihrer Eingangsrede betonte Merkel den Stellenwert von Menschen- und Bürgerrechten. Sie seien "das wertvollste Gut, das wir in Europa haben", sagte sie. Ihre Einschränkung während der Corona-Pandemie sei eine Entscheidung gewesen, die ihr "unendlich schwer gefallen" sei. Dass Europa schon viele Krisen überstanden habe, liege auch daran, dass sich am Ende alle bewusst gewesen seien, was unverzichtbar sei: "die Grundrechte und der Zusammenhalt".
Merkel führte nach dem Parlamentsauftritt in Brüssel weitere Gespräche mit Blick auf den Sondergipfel kommende Woche. Am Abend ist ein Gespräch mit von der Leyen, Sassoli und EU-Ratspräsident Charles Michel vorgesehen. Michel will Ende der Woche einen neuen Vorschlag für den Mehrjahreshaushalt und den Corona-Hilfsplan vorlegen, der Grundlage für die Gipfelgespräche sein soll.
(L. Pchartschoy--BTZ)