Oppermann bringt bei Wahlrechtsreform Aufhebung des Fraktionszwangs ins Spiel
Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) hat im Streit um eine Wahlrechtsreform eine Abstimmung ohne Fraktionszwang ins Spiel gebracht, um ein weiteres Aufblähen des Bundestags zu verhindern. "Wenn die Groko keinen eigenen Vorschlag für eine Obergrenze macht, muss die Abstimmung freigegeben werden", sagte Oppermann der neuen Ausgabe des Magazins "Spiegel". Für eine Reform des Wahlrechts noch vor der nächsten Bundestagswahl wird die Zeit knapp.
Oppermann kündigte an, möglicherweise gegen die eigene Fraktion zu stimmen. "Ich behalte mir vor, dann für den Antrag der Opposition zu stimmen", sagte der SPD-Politiker. Von deren Vertretern kommt Unterstützung. "Falls es zwischen den Fraktionen keine Verständigung gibt, steht der Weg offen, dass Abgeordnete über Fraktionsgrenzen hinweg Gruppenanträge initiieren", sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann dem "Spiegel".
Auch der Justiziar der Linksfraktion, Friedrich Straetmanns, findet die Idee "charmant": "Wenn es dem Guten dient, warum nicht?"
Seit Monaten ringen die Fraktionen vergeblich um eine Reform, die eine weitere Vergrößerung des Bundestags nach der nächsten Wahl bremsen könnte. Aktuell hat das Parlament 709 Sitze, die Regelgröße liegt bei 598 Mandaten.
Grund für den übergroßen Bundestag sind Überhang- und Ausgleichsmandate. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Direktkandidaten in den Bundestag bringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis eigentlich zustehen würden. Damit die Überhangmandate das Zweitstimmenergebnis nicht verzerren, bekommen die anderen Parteien dafür Ausgleichsmandate.
FDP, Grüne und Linke hatten im Oktober einen gemeinsamen Reformvorschlag vorgestellt. Sie schlugen unter anderem vor, die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 250 zu verringern, konnten aber die Koalitionsfraktionen nicht von dem Konzept überzeugen. Ende Dezember hatte eine Gruppe von Unionsabgeordneten einen Reformvorschlag vorgelegt, der insbesondere den Erststimmen mehr Gewicht verleihen würde, mit denen die Direktkandidaten in den Wahlkreisen gewählt werden.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus kritisierte im "Spiegel" die fehlende Kompromissbereitschaft der Fraktionen. "Ich finde es sehr bemerkenswert, wie da jeder nur um seine Interessen kämpft", sagte der CDU-Politiker. Die eigene Fraktion nahm er von Kritik nicht aus: "Wir werden im Bundestag nur eine echte Lösung finden, wenn alle ein Stück weit verzichten und wenn wir mutig sind."
In der Union, insbesondere bei der CSU, gibt es Widerstand sowohl gegen eine Reduzierung der Zahl der Wahlkreise als auch gegen eine Nichtzuteilung von Überhangmandaten.
(A. Walsh--BTZ)