EU-Kommission geht wegen Schuldenpolitik gegen Italien vor
Wegen der Schuldenpolitik der Regierung in Rom geht die EU-Kommission gegen Italien vor. Wie die Behörde am Mittwoch mitteilte, hält sie angesichts der sich verschlechternden Haushaltslage und Gesamtverschuldung die Einleitung eines Defizitverfahrens für gerechtfertigt. Die EU-Finanzminister müssen der Eröffnung noch zustimmen. Ohne Zugeständnisse an die EU würde Italien am Ende eine milliardenschwere Geldbuße drohen.
Italien ist nach dem langjährigen Krisenstaat Griechenland das am höchsten verschuldete EU-Mitglied. Im vergangenen Jahr wuchs der Schuldenberg des Landes auf 132,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - und ist damit mehr als doppelt so hoch wie die EU-Vorgabe von 60 Prozent. In absoluten Zahlen hat Italien mehr als 2,3 Billionen Euro Schulden.
In Rom regiert seit Juni vergangenen Jahres eine Koalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega-Partei. Sie hat im Wahlkampf eine Abkehr vom Sparkurs versprochen und will Sozialausgaben erhöhen und Steuern senken.
Italiens Finanzlage sei im vergangenen Jahr "in zwei Bereichen problematisch" gewesen, sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. Anstatt seine Gesamtverschuldung zu reduzieren, sei diese von 131 auf 132 Prozent gestiegen. Zudem habe Rom auch bei seinem strukturellen Haushaltsdefizit Empfehlungen der Euro-Partner nicht umgesetzt.
Im Jahr 2020 werde zudem erwartet, dass das Haushaltsdefizit insgesamt bei 3,5 Prozent liege und damit über der EU-Vorgabe von maximal drei Prozent, erklärte Moscovici. Die Gesamtverschuldung könnte laut Kommission bis 2020 auf 135,7 Prozent steigen. "Auf dieser Grundlage (...) sind wir zu dem Schluss gekommen, dass das Schuldenkriterium derzeit nicht eingehalten wird", sagte Moscovici.
Ende vergangenen Jahres hatte die EU-Kommission bereits mit einem Verfahren gedroht. Nachdem Rom versprach, auf rund zehn Milliarden Euro Ausgaben zu verzichten, legten beide Seiten ihren Streit vorerst bei.
In dem nun empfohlenen Verfahren könnte Rom am Ende eine Geldbuße von 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung drohen. Dies wären 3,5 Milliarden Euro. Allerdings hat die EU bisher letztlich immer auf Geldstrafen gegen Mitgliedstaaten verzichtet, die gegen die Haushalts- und Verschuldungsvorgaben verstießen.
Der italienische Innenminister Matteo Salvini hatte vergangene Woche bereits gesagt, er rechne mit einer Strafe von drei Milliarden Euro gegen sein Land. Er kritisierte dabei vor dem Hintergrund hoher Jugendarbeitslosigkeit, dass Brüssel "alte Regeln" bei der Bewertung der Haushaltslage anwende.
Vize-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis sagte, die EU-Mitgliedstaaten hätten nun zwei Wochen Zeit, "um unsere Analyse zu bestätigen". Das Thema Italien dürfte damit die Euro- und EU-Finanzminister bei ihrem Treffen am Donnerstag und Freitag kommender Woche in Luxemburg beschäftigen.
Italien habe sich "bewusst dafür entschieden, die europäischen Budget-Regeln zu ignorieren", erklärte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Dies müsse nun "spürbare Folgen" haben. Die EU-Kommission dürfe sich nicht mehr "auf faule Kompromisse zulasten der Stabilität des Euros einlassen".
Der deutsche EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) räumte ein zögerliches Handeln seiner Behörde ein. "Wir hätten bei einigen Ländern in der Eurozone früher eingreifen müssen, weil die Neuverschuldung zu stark zugenommen hat", sagte er der "Wirtschaftswoche". "Nun ist es bei Italien eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf".
(M. Tschebyachkinchoy--BTZ)