
Scholz gibt sich trotz deutlichen Dämpfers bei Steuereinnahmen gelassen

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gibt sich trotz der im Vergleich zu früheren Prognosen geringer werdenden Steuereinnahmen gelassen. Er wies am Donnerstag in Berlin darauf hin, dass auch nach der aktuellen Mai-Steuerschätzung in absoluten Zahlen die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Auch von einer Konjunkturkrise könne keine Rede sein. Zudem sei das Gros der Mindereinnahmen in seiner Haushaltsplanung schon berücksichtigt.
Den Berechnungen des Arbeitskreises Steuerschätzung zufolge dürften die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen von 2019 bis 2023 um 124,3 Milliarden Euro niedriger ausfallen als im November vorhergesagt. Bereinigt um seither erfolgte Änderungen des Steuerrechts beträgt die sogenannte Schätzabweichung 74,1 Milliarden Euro.
Der Bund muss den neuen Daten zufolge mit 70,6 Milliarden Euro weniger auskommen. Bereinigt um Änderungen des Steuerrechts verbleibt für die Jahre von 2019 bis 2023 ein Minus von 35,2 Milliarden Euro, davon entfallen 3,7 Milliarden Euro auf das laufende Jahr und 6,0 Milliarden Euro auf das Jahr 2020.
Scholz hob jedoch hervor, die neuen Entwicklungen bei den Steuereinnahmen seien größtenteils in seiner Haushaltsplanung für 2020 sowie der Finanzplanung bis 2023 berücksichtigt. Verglichen mit den dazu beschlossenen Eckpunkten vom März verbleibe noch ein Minus von 10,5 Milliarden Euro. Dies zu bewältigen, sei angesichts von Steuereinnahmen für den Bund von mehr als einer Billion Euro in den kommenden vier Jahren "eine überschaubare Aufgabe".
Gleichwohl mahnte der Finanzminister zur Disziplin und lehnte eine Abkehr vom Grundsatz des Verzichts auf neue Schulden ab. Er habe mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besprochen, "dass wir dabei bleiben wollen", sagte Scholz mit Blick auf die schwarze Null. Die Regierung werde weiterhin "eine sehr aktive Haushaltspolitik betreiben", doch sei wichtig, dass man "besonders sorgfältig auf die Finanzierung achtet".
Unter dieser Voraussetzung sei auch die von der SPD geforderte Grundrente mit der aktuellen Haushaltsentwicklung vereinbar, sagte Scholz. Prioritäre Maßnahmen der Bundesregierung seien generell "eingepreist", für neue Vorhaben gelte allerdings, "dass die Anforderungen an die Finanzierung höher geworden sind". Scholz kündigte für die kommenden Tage Gespräche in der Koalition über das weitere Vorgehen an.
Skeptischer äußerten sich die Grünen-Haushaltsexperten Anja Hajduk und Sven-Christian Kindler. Es sei "ein fataler Fehler", wenn der Finanzminister jetzt so tue, als sei "mit dem Haushalt weitestgehend alles in Ordnung", erklärten sie in Berlin. Beide drangen auf einen Abbau umweltschädlicher Subventionen.
"Die Finanzen laufen ihm aus dem Ruder", erklärte auch Linken-Fraktionvize Gesine Lötzsch. Sie forderte ein Investitionsprogramm für Wohnungen, Schulen und Nahverkehr, um die Binnenkonjunktur zu stärken, sowie eine Besteuerung von Vermögen.
Eine Begrenzung von Ausgaben und zugleich weitere steuerliche Entlastungen verlangte Unions-Fraktionsvize Andreas Jung (CDU). SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wandte sich gegen Forderungen aus der CDU/CSU nach Sozialkürzungen. Zugleich erteilte er deren Anliegen nach vollständiger Abschaffung des Solidaritätszuschlages eine Absage.
Steuerliche Entlastungen für Unternehmen zur Ankurbelung der Konjunktur verlangten der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Der Arbeitgeber-Dachverband BDA forderte zudem einen Stopp "wachstumsfeindlicher Ideen" wie Grundrente und zusätzlichen Leistungen in Gesundheit und Pflege.
(D. Meier--BTZ)