Paris: Warnung vor Nationalismus am 100. Weltkriegs-Gedenken
Vor dem Hintergrund eines erstarkenden Nationalismus und wachsender Spannungen haben Spitzenvertreter von rund 70 Staaten in Paris an das Ende des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren erinnert. Bei der zentralen Gedenkfeier am Pariser Triumphbogen warnte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor den Gefahren des Nationalismus. "Lasst uns unsere Hoffnungen zusammenführen, statt unsere Ängste gegeneinander auszuspielen", rief er den Staats- und Regierungschefs zu. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte er bereits am Samstag bei einer hochsymbolischen Zeremonie des Waffenstillstands von 1918 gedacht.
Macron rief dazu auf, für Frieden zu kämpfen und der "Faszination für Abschottung, Gewalt und Dominanz" zu widerstehen. "Gemeinsam" könnten die "Bedrohungen" der heutigen Zeit gebannt werden. Frankreichs Präsident kritisierte erneut den Nationalismus. "Patriotismus ist genau das Gegenteil von Nationalismus. Der Nationalismus ist sein Verrat", sagte Macron, zu dessen Zuhörern auch US-Präsident Donald Trump gehörte. Trump verfolgt eine klare Abschottungspolitik und bezeichnet sich selbst als "Nationalisten".
Neben Trump nahmen unter anderen Merkel, Russlands Präsident Wladimir Putin, der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu teil. Zu Beginn der Zeremonie, bei der Schüler Briefe von Weltkriegssoldaten vorlasen, läuteten ab 11.00 Uhr die Glocken der Kathedrale Notre Dame und der Kirchen in ganz Frankreich - wie auch am 11. November 1918, als damit der Waffenstillstand im ganzen Land verkündet worden war.
Rund 10.000 Polizisten sicherten die Gedenkfeierlichkeiten an den Champs-Elysées ab. Sicherheitskräfte nahmen kurz vor Beginn drei Femen-Aktivistinnen fest. Sie hatten die Absperrungen überwunden und versucht, die Ankunft von Trump zu stören. Auf ihren Brüsten trugen sie die Aufschriften "Heuchler-Parade" und "Gangsta-Party".
Merkel und Macron hatten bereits am Samstag gemeinsam des Endes des Blutvergießens gedacht. Beide besuchten die Waldlichtung bei Compiègne nordöstlich von Paris, auf der die Deutschen am 11. November 1918 den Waffenstillstand mit den Alliierten unterzeichnet und damit ihre Kapitulation besiegelt hatten. Es war das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass ein deutscher Regierungschef diesen Ort besuchte.
In der nationalen Gedenkstätte bei Compiègne legten sie einen Kranz nieder und weihten eine Gedenkplakette ein, welche die "Bedeutung der deutsch-französischen Aussöhnung im Dienste Europas und des Friedens" würdigt.
Die Zeremonie in Compiègne sei "bewegend" gewesen, sagte Merkel am Samstagabend in Paris. Sie sei mit vielen Persönlichkeiten in Kontakt gekommen, die ihr und Macron noch einmal klargemacht hätten, dass Frieden nicht selbstverständlich sei, sondern die Menschen dafür weiter arbeiten müssten. "Insofern ist dieser Tag nicht nur Mahnung, er ist auch Ansporn", betonte Merkel.
Ihre geplante Rede zur Eröffnung des dreitägigen Pariser Friedensforums am Sonntagnachmittag zeige zudem, dass die Bundesregierung willens sei, "alles zu tun, um eine friedlichere Ordnung der Welt zu schaffen - auch wenn wir wissen, dass noch sehr, sehr viel Arbeit vor uns liegt", sagte die Bundeskanzlerin. Anders als sie nimmt Trump nicht an der Veranstaltung teil. Er wollte stattdessen einen Friedhof besuchen, wo gefallene US-Soldaten begraben sind.
Des Endes des Ersten Weltkrieges wurde auch in vielen anderen Ländern gedacht, darunter in Großbritannien und Polen. In London nahm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als erstes deutsches Staatsoberhaupt am traditionellen Gedenken teil. Am Cenotaph genannten Ehrenmal für die getöteten Soldaten im Zentrum der britischen Hauptstadt legte Steinmeier in Begleitung von Premierministerin Theresa May einen Kranz nieder. London wertet die symbolische Geste als historische Versöhnung zwischen beiden Ländern.
(D. Meier--BTZ)