Bundestag wählt bei erster Sitzung SPD-Politikerin Bärbel Bas zur Präsidentin
An der Spitze des Bundestags steht zum dritten Mal in seiner Geschichte eine Frau: Die Abgeordneten wählten am Dienstag bei der konstituierenden Sitzung des 20. Deutschen Bundestags die 53-Jährige SPD-Politikerin Bärbel Bas zur Bundestagspräsidentin. Wie schon in der vergangenen Legislaturperiode scheiterte die AfD mit dem Versuch, wie die anderen Fraktionen einen Stellvertreter in das Parlamentspräsidium wählen zu lassen.
Auf Bas entfielen 576 von 724 gültigen Stimmen - das entspricht 79,6 Prozent. Gegen Bas stimmten 90 Abgeordnete, 58 enthielten sich. Bas löst damit den CDU-Politiker Wolfgang Schäuble ab, der vier Jahre lang Parlamentspräsident war.
"Es tut unserem Land gut, wenn die Bürgerinnen und Bürger sehen: Im Herzen der Demokratie trägt eine Frau die Verantwortung", sagte Bas nach ihrer Wahl. Allerdings sei es nicht ruhmreich, dass sie nach Annemarie Renger (SPD) und Rita Süssmuth (CDU) nun erst die dritte Frau seit 1949 an der Spitze des Parlaments sei.
Der stärksten Fraktion im Bundestag steht traditionell der Spitzenposten im Parlament zu. Das ist nach der Bundestagswahl die SPD.
Bas versprach eine überparteiliche Amtsführung. Die 53-Jährige lobte, dass das neue Parlament zum einen besonders jung und zum anderen besonders vielfältig sei. "Die Vielfalt ist eine Chance für uns alle", sagte sie. Sie warb gleichzeitig für mehr Bürgernähe: mit einer Sprache ohne komplizierten Fachjargon und Bürgerräten als Form der Beteiligung der Gesellschaft.
Der bisherige Bundestagspräsident Schäuble betonte in seiner Abschiedsrede die Vorbildfunktion des Parlaments für die gesellschaftliche Debatte. Konflikte müssten "fair und nach Regeln" ausgetragen werden, forderte er. Mit Blick auf die Forderungen der Klimabewegung rief er zur Kompromissbereitschaft auf. "Wissenschaftliche Erkenntnis allein ist noch keine Politik - und schon gar nicht demokratische Mehrheit."
Schäuble wie Bas forderten angesichts einer neuen Bundestags-Rekordgröße von 736 Abgeordneten endlich eine wirkliche Wahlrechtsreform. Schäuble bezeichnete es als "persönlich bittere Erfahrung", dass dies unter seiner Führung nicht gelungen sei.
Am Nachmittag wurden auch Bas Stellvertreterposten besetzt. Gewählt wurden mit Aydan Özoguz (SPD), Yvonne Magwas (CDU), Claudia Roth (Grüne) und Petra Pau (Linke) vier Frauen. Die FDP entsendet erneut Wolfgang Kubicki ins Bundestagspräsidium.
Der AfD-Kandidat Michael Kaufmann verfehlte wie erwartet die erforderliche Mehrheit. Die AfD war schon in der letzten Legislaturperiode mehrfach damit gescheitert, Kandidaten für den Vize-Posten wählen zu lassen.
Schon zum Auftakt der Sitzung war es zu einer Auseinandersetzung mit der AfD gekommen. Grund war, dass Schäuble als dienstältester Abgeordneter und nicht der AfD-Mann Alexander Gauland als ältester Volksvertreter die Sitzung zunächst leitete.
"In fast zwei Jahrhunderten" habe es nur ein Parlament "gewagt", mit der Tradition des Alterspräsidenten nach Lebensjahren zu brechen, sagte Baumann. "Das war 1933 nach der Machtergreifung", als der NSDAP-Politiker Hermann Göring Alterspräsident gewesen sei.
Redner der anderen Fraktionen wiesen die Einwände der AfD zurück. Wer wie Gauland die NS-Diktatur als "Vogelschiss" der deutschen Geschichte bezeichnet habe, habe sich für die Rolle des Alterspräsidenten "schon disqualifiziert", sagte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer.
Ein Viertel der 82 AfD-Politiker musste auf einer Tribüne und nicht im Plenarsaal Platz nehmen. Grund war die geltende 3G-Regel wegen der Corona-Pandemie. Die betroffenen AfD-Abgeordneten hatten es abgelehnt, einen Nachweis über eine Impfung, Genesung oder einen negativen Corona-Test vorzulegen.
Mit dem Zusammentritt des neuen Bundestags endete auch die Amtszeit der bisherigen Bundesregierung. Das Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erhält am späten Nachmittag (17.30 Uhr) ihre Entlassungsurkunden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beauftragte aber Merkel bereits, geschäftsführend im Amt zu bleiben, bis eine neue Regierung steht.
(P. Rasmussen--BTZ)