
Großbritannien verschärft nach Anschlag Sicherheitsmaßnahmen für Parlamentarier

Nach dem Mord an dem britischen Abgeordneten David Amess hat die Regierung die Sicherheitsvorkehrungen für Parlamentsmitglieder verschärft. Die britische Innenministerin Priti Patel sagte am Sonntag dem Sender Sky News, dass die Polizei und das Parlament "sofortige Änderungen" umgesetzt hätten. Dazu gehöre, dass die Abgeordneten Informationen über ihren Aufenthaltsort mit der Polizei teilen sollen.
Auch ein besserer Schutz der Abgeordnetensprechstunden werde "derzeit in Betracht gezogen", sagte Patel. Der konservative Unterhaus-Abgeordnete Amess war am Freitag von einem mutmaßlichen Islamisten bei einer solchen Sprechstunde in einer Kirche in der Stadt Leigh-on-Sea östlich von London erstochen worden.
Wie der "Sunday Telegraph" berichtete, bewachten uniformierte Polizisten nach dem Angriff einige Sprechstunden. Manche Abgeordnete hatten gar eine Unterbrechung der persönlichen Treffen mit Wählern gefordert.
Die Anti-Terror-Abteilung von Scotland Yard übernahm die Ermittlungen zu dem Mord. Der nach der Tat gefasste Verdächtige wurde auf Grundlage des Terrorismusgesetzes weiter festgehalten, eine Anklageerhebung erfolgte aber zunächst noch nicht.
Laut dem Sender BBC hatte der mutmaßliche Mörder - ein britischer Staatsbürger somalischer Herkunft - in früheren Jahren ein Präventionsprogramm gegen Radikalisierung besucht. Demnach nahm der 25-Jährige allerdings nicht lange an dem freiwilligen Programm teil; dies war zudem mehrere Jahre her. Der Inlandsgeheimdienst MI5 hatte ihn laut Bericht nicht als potenziellen Gefährder auf dem Schirm.
Das sogenannte Prevent-Programm soll nun von unabhängiger Seite überprüft werden. "Wir wollen sicherstellen, dass es zweckmäßig und robust ist, dass es das Richtige tut, aber vor allem, dass wir daraus lernen", sagte Patel.
Nach Informationen der "Sunday Times" soll sich der Attentäter "selbst radikalisiert" haben. Der Vater des Verdächtigen, ein früherer hochrangiger Berater der somalischen Regierung, bestätigte der Zeitung, dass es sich bei dem Festgenommenen um seinen Sohn handele. Er sagte der Zeitung, er fühle sich "sehr traumatisiert". Die Polizei durchsuchte nach eigenen Angaben drei Gebäude im Großraum von London.
Medienberichten zufolge hatte der Verdächtige die Tat vorbereitet. Laut "Daily Mail" hatte er sich eine Woche zuvor für die öffentliche Bürgersprechstunde des Abgeordneten der konservativen Tory-Partei angemeldet. Der "Sun" zufolge stach er am Freitag mehrmals in der Kirche auf den Abgeordneten ein, bevor er sich hinsetzte und auf die Polizei wartete. Demnach waren zwei Assistentinnen Augenzeugen der Tat.
Die örtliche Polizei hatte zuvor mitgeteilt, sie sei gegen Freitagmittag wegen des Angriffs alarmiert worden und habe vor Ort den Verdächtigen festgenommen. Sie ging bereits zum Zeitpunkt der Festnahme nicht von weiteren Tätern aus. Der 69-jährige Abgeordnete wurde demnach von Notärzten versorgt, erlag aber seinen Verletzungen.
Der Brexit-Befürworter und Tierschützer Amess hatte seit 1983 im britischen Unterhaus gesessen. Nach der Tat wurden die Fahnen vor dem britischen Parlament in London auf halbmast gesetzt. Premierminister Boris Johnson und Oppositionsführer Keir Starmer legten am Tatort Kränze nieder.
Es handelte sich bereits um den zweiten Mord an einem britischen Politiker binnen fünf Jahren. 2016 war die Labour-Abgeordnete Jo Cox im Vorfeld des Brexit-Referendums von einem Rechtsextremen erstochen worden.
(O. Joergensen--BTZ)