Johnson hofft in Corona-Krise auf Rückkehr zur Normalität vor Weihnachten
Der Corona-bedingte Ausnahmezustand in Großbritannien könnte nach Einschätzung von Premierminister Boris Johnson vor Weihnachten zu Ende sein. Er hoffe, dass eine Rückkehr zur Normalität bereits ab November gelingen könne, sagte Johnson am Freitag bei der Vorstellung eines Zeitplans für die Lockerung noch bestehender Corona-Einschränkungen in England. Als Reaktion auf eine neue Studie, wonach es im Vereinigten Königreich weniger Corona-Todesfälle gibt als angenommen, ordnete die Regierung eine dringende Überprüfung der Corona-Statistiken an.
Johnson kündigte umfassende Lockerungen ab dem 1. August an, darunter die Wiederöffnung von Kasinos und Eisbahnen sowie die Zulassung von Hochzeitsfeiern mit bis zu 30 Gästen. Auch die Richtlinien für die Arbeit von zu Hause aus sollen gelockert werden. Von August an hätten Arbeitgeber einen "größeren Ermessensspielraum", um gemeinsam mit den Angestellten über eine Rückkehr an den Arbeitsplatz zu entscheiden, sagte Johnson. Ab Oktober könnte es demnach wieder Fußballspiele mit Zuschauern geben.
Mit Blick auf eine befürchtete zweite Ansteckungswelle im Herbst kündigte Johnson zusätzliche Gelder für das Gesundheitssystem NHS in Höhe von drei Milliarden Pfund (3,3 Milliarden Euro) an. "Auch wenn wir uns auf das Schlimmste vorbereiten, glaube ich fest daran, dass wir auf das Beste hoffen sollten", sagte Johnson.
Experten hatten diese Woche ein Worst-Case-Szenario vorgestellt, nach dem allein zwischen September diesen Jahres und Juni kommenden Jahres bis zu 120.000 Menschen an den Folgen einer Corona-Infektion sterben könnten. Johnson räumte ein, dass die Lockerungen gerade im Herbst und Winter mit Risiken verbunden seien, wenn das Gesundheitssystem wegen der jährlichen Grippewelle ohnehin stark belastet ist. Abgefedert werden sollen diese Risiken laut Johnson aber durch zusätzliche Kompetenzen für Regionalbehörden, die künftig lokal begrenzte Ausgangsbeschränkungen verhängen können sollen.
Am Freitag sorgte in Großbritannien eine weitere Studie für Aufruhr, die statistische Fehler in den Corona-Statistiken der Gesundheitsbehörden beklagte. Den Experten Yoon K Loke und Carl Heneghan von der Oxford-Universität zufolge könnten die Todesfälle durch das neuartige Coronavirus in Großbritannien in Wahrheit deutlich niedriger sein als angenommen. Demnach gleichen die Gesundheitsbehörden bei der Erfassung der Corona-bedingten Todesfälle lediglich die Liste der nachgewiesenen Corona-Infektionen und das Zentralregister mit den landesweiten Sterbefällen ab, ohne die Todesursache zu überprüfen.
So sei es möglich, dass ein von einer Corona-Infektion genesener Patient, der drei Monate später bei einem Verkehrsunfall ums Leben komme, als Corona-Toter in der Statistik auftrete, schrieben die Studienautoren. Als Reaktion auf die Kritik forderte Gesundheitsminister Matt Hancock die Gesundheitsbehörden zu einer "dringenden Überprüfung" ihrer Zählweise auf.
Nach offiziellen Angaben sind in Großbritannien seit Beginn der Corona-Pandemie mehr als 45.000 Menschen an Covid-19 gestorben - so viele wie in keinem anderen Land Europas.
(W. Winogradow--BTZ)