Radfahrer kann nach Sturz an Stacheldrahtabsperrung mit Schmerzensgeld rechnen
Ein früherer Bundeswehroffizier, der nach einem Fahrradunfall an einer Stacheldrahtabsperrung auf einem Feldweg vom Hals ab querschnittsgelähmt ist, kann mit einer hohen Schmerzensgeldzahlung rechnen. Nach einer Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) über seine Klage gegen eine norddeutsche Gemeinde und zwei Jagdpächter verständigten sich beide Seiten am Donnerstag darauf, über einen Vergleich sprechen zu wollen. Die Bundesrichter hatten zuvor deutlich gemacht, dass sie den Klagen des Manns und der Bundesrepublik Deutschland als seinem Dienstherrn gute Chancen einräumen. (Az. III ZR 250/17 und 251/17)
Der heute pflegebedürftige Kläger war im Juni 2012 auf einer Mountainbiketour in der Nähe von Hamburg unterwegs. Er stürzte auf dem Feldweg kopfüber in eine Absperrung aus Holzlatten und einem über den Weg gespannten Stacheldraht, die bereits Ende der 80er Jahre durch den damaligen Jagdpächter mit Zustimmung der Gemeinde errichtet worden war. Dabei brach er sich einen Halswirbel. Der Feldweg durfte mit einem Rad befahren werden, ein angebrachtes Sperrschild galt nur für Autos und Motorräder.
Der ehemalige Marineoffizier und die Bundesrepublik als sein Dienstherr werfen der Gemeinde, in der der Feldweg liegt, sowie den beiden Jagdpächtern eine Verletzung ihrer sogenannten Verkehrssicherungspflicht vor. Der Mann verlangt ein Schmerzensgeld von mindestens einer halben Million Euro, die Bundesrepublik fordert Schadenersatz unter anderem für Versorgungsleistungen und Behandlungskosten in Höhe von fast 600.000 Euro.
In dem Rechtsstreit hatte das Landgericht Lübeck die Klagen zunächst abgewiesen. Das Oberlandesgericht Schleswig gab diesen nur zu einem Viertel statt. Das OLG sah ein Mitverschulden des Manns, das es auf drei Viertel der Forderungen bezifferte. Der zuständige BGH-Zivilsenat machte vor den außergerichtlichen Vergleichsgesprächen deutlich, dass es nach seiner vorläufigen Einschätzung den Mitverschuldensanteil bei maximal 25 Prozent sieht.
Der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann hatte bereits in der Verhandlung sein Unverständnis über die Stacheldrahtkonstruktion deutlich gemacht. Es habe sich um ein "völlig ungewöhnliches und gefährliches Hindernis" gehandelt, das "geradezu tückisch" gewesen sei. Er wandte sich auch gegen die Argumentation, der Radfahrer sei zu schnell gewesen und habe deshalb nicht rechtzeitig bremsen können. Er habe darauf vertrauen können, dass es kein Hindernis wie den über den Weg gespannten Stacheldraht gebe. "Sonst dürfte man nur noch Schrittgeschwindigkeit fahren", sagte Herrmann.
Beide Seiten haben jetzt bis zum 5. März Zeit, sich auf einen Vergleich zu einigen. Dabei geht es unter anderem auch darum, welche Forderungen jeweils auf die Gemeinde und die Jagdpächter zukommen. Sollte es nicht zu einem Vergleich kommen, will der BGH am 2. April eine Entscheidung verkünden.
(Y. Rousseau--BTZ)