Medizin uneins über Gesundheitsgefahren durch Feinstaub und Stickoxid
Lungenärzte sind uneins über die Gesundheitsgefahren durch Feinstaub und Stickoxid: Eine Gruppe von mehr als hundert Medizinern äußerte in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme erhebliche Zweifel an der wissenschaftlichen Methodik bei der Festlegung der Grenzwerte und forderte eine Neubewertung der Fachstudien. Damit stellten sie sich gegen die Position der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), die vor einer Gesundheitsgefährdung durch die Luftschadstoffe warnt.
Die Ärztegruppe indes kritisierte, es gebe derzeit "keine wissenschaftliche Begründung für die aktuellen Grenzwerte" für Feinstaub und Stickoxide. Die Daten zur Gefahr durch Luftverschmutzung seien "extrem einseitig" interpretiert worden. Andere Faktoren wie Lebensstil, Rauchen, Alkoholkonsum oder Bewegung hätten weitaus stärkere Auswirkungen auf Krankheitshäufigkeit und Lebenserwartung. Die Mediziner verwiesen auch darauf, dass die Feinstaubkonzentration in Zigarettenrauch "bis zur eine Million Mal größer als der Grenzwert" sei.
Initiator der aktuellen Stellungnahme ist der frühere DGP-Präsident Dieter Köhler. Er sprach von einer "Ideologisierung" der Debatte über die Gesundheitsgefährdung durch Feinstaub. Diese werde noch zunehmen, weil vielen Städten weitere Fahrverbote drohten.
Die Kritik der Ärzte bezieht sich auf Studien, in denen Wissenschaftler unter anderem des Helmholtz-Instituts in München und der Berliner Charité unterschiedliche Regionen verglichen und für staubbelastete Gebiete ein erhöhtes Erkrankungs- und Sterberisiko feststellten. Luftschadstoffe werden demnach mit Lungenerkrankungen, aber auch mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Diabetes in Zusammenhang gebracht.
Die DGP hatte Ende vergangenen Jahres in einem Positionspapier den Stand der Forschung zusammengefasst und zugleich ein gesellschaftliches Umdenken beim Thema Luftverschmutzung gefordert. "Luftschadstoffe gefährden unsere Gesundheit – besonders die von Kindern, älteren Menschen und Erkrankten", heißt es in dem Papier. Die Umweltmedizinerin Barbara Hoffmann von der Universität Düsseldorf wird mit den Worten zitiert, die Experten hätten bisher keine Grenzwerte ermitteln können, "die eine Gefährdung der Gesundheit ausschließen".
Die nun veröffentlichte Gegenposition solle ein Anstoß für die notwendige Forschung und "eine kritische Überprüfung der Auswirkungen von Stickoxiden und Feinstaub" sein, erklärten die DGP, der Verband der Pneumologischen Kliniken und die Deutsche Lungenstiftung am Mittwoch.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nannte die von Lungenärzten geäußerten Zweifel an der Gesundheitsgefahr durch Feinstaub und Stickoxiden einen "wichtigen und überfälligen Schritt". Dies helfe mit, "Sachlichkeit und Fakten in die Dieseldebatte zu bringen", sagte Scheuer nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview.
Die Grünen sprachen hingegen von einem "Ablenkungsmanöver". Die Debatte "chaotisiert die ohnehin schon unübersichtliche Lage bei den Fahrverboten", erklärte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. In der Forschung gebe es einen breiten Konsens, dass Stickoxide auch schon im geringen Ausmaß schädlich seien und der Grenzwert eigentlich verschärft werden sollte.
Auch die Grünen-Sprecherin für Umweltpolitik, Bettina Hoffmann, warnte davor, Grenzwerte zu verwässern. Grenzwerte seien dazu da, insbesondere auch empfindliche Menschen wie Kranke, Kinder und Schwangere zu schützen.
(P. Rasmussen--BTZ)