
EU-Gipfel von bitterem Streit über Corona-Bonds überschattet

Beim EU-Gipfel am Donnerstag zeichnet sich ein massiver Streit um die Vergemeinschaftung von Schulden in der Corona-Krise ab. Neun EU-Länder um Italien und Frankreich forderten am Mittwoch sogenannte Corona-Bonds, die von Deutschland abgelehnt werden. Daneben wollen die Staats- und Regierungschefs beginnen, Lehren aus der Krise ziehen, damit Europa in Zukunft schneller und effizienter reagieren kann.
Die Staats- und Regierungschefs beraten am Donnerstagnachmittag in einer Video-Konferenz über die Corona-Krise. Dabei geht es auch um Maßnahmen gegen die massiven wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, gegen die sich die Mitgliedstaaten mit milliardenschweren Hilfsprogrammen für ihre Wirtschaft stemmen.
Die EU-Kommission hat dafür bereits erstmals die europäischen Vorgaben für Defizit- und Schuldenziele vorläufig außer Kraft gesetzt und die Regeln für Staatsbeihilfen gelockert. Ohnehin bereits hoch verschuldete Länder wie Italien könnten aber Probleme bekommen, wenn sie in der Krise weiter massiv ihre Schulden erhöhen müssen.
"Wir müssen an einem gemeinsamen Schuldeninstrument arbeiten", heißt es vor diesem Hintergrund in einem Schreiben von neun Mitgliedstaaten an EU-Ratspräsident Charles Michel. Die Bekämpfung der durch die Corona-Pandemie verursachten Schulden erfordere "eine stabile langfristige Finanzierung". Deshalb sollten gemeinsame Schuldtitel von einer EU-Institution ausgegeben werden, damit sich alle Mitgliedstaaten "auf der gleichen Grundlage und zum Nutzen aller" Finanzmittel beschaffen könnten.
Unterzeichnet haben das Schreiben die Staats- und Regierungschefs von Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Portugal, Slowenien und Spanien. Deutschland stemmt sich seit Jahren gegen Forderungen nach solchen Eurobonds zur Vergemeinschaftung von Schulden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lehnte ein derartiges Vorgehen am Dienstag erneut ab und sprach von einer "Gespensterdebatte".
Bei einer Video-Konferenz der Eurogruppe am Dienstag hatten sich die EU-Finanzminister nicht auf eine gemeinsame Linie zu weiteren Schritten einigen können. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte danach, die Corona-Bonds lägen weiter auf dem Tisch. Auch Eurogruppen-Chef Mario Centeno sagte, es sei keine Lösung ausgeschlossen worden.
Angesichts des Streits sollen nun die Staats- und Regierungschefs entscheiden. "Breite Unterstützung" gab es Centeno zufolge für die Nutzung vorbeugender Kreditlinien des Euro-Rettungsfonds ESM. Länder könnten damit Darlehenszusagen bis zu zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung bekommen, sagte der Eurogruppenchef. Im Falle Italiens wären das rund 36 Milliarden Euro.
Die Niederlande halten den Einsatz des ESM in der Corona-Krise allerdings für verfrüht. "Wir fahren durch den Nebel und wissen nicht, wie die nächste Phase aussehen wird", sagte Finanzminister Wopke Hoekstra am Dienstagabend. Wenn es später noch härter werde, werde der ESM als "Kreditgeber letzter Instanz" gebraucht. Die EU dürfe ihr Arsenal "nicht vorzeitig verschießen".
Ansonsten wollen die EU-Staats- und Regierungschefs auch auf eine stärkere Krisenreaktionsfähigkeit Europas dringen. Es müssten "alle Lehren aus der derzeitigen Krise" gezogen werden, heißt es im Entwurf der Gipfel-Erklärung, die BERLINER TAGESZEITUNG vorliegt. "Die Zeit ist gekommen, ein ehrgeizigeres und weitreichendes System für Krisenmanagement in der EU zu schaffen." Dazu gehöre "ein echtes europäisches Zentrum für Krisenmanagement".
Mit Blick auf den Einreisestopp an den EU-Außengrenzen schließen die EU-Chefs laut Erklärungsentwurf je nach Entwicklung eine Verlängerung über die bisherigen 30 Tage nicht aus. Bei Grenzkontrollen innerhalb der EU verlangen sie, dass Probleme für Warenlieferungen "dringend" beseitigt werden müssen. Die EU-Kommission fordern sie auf, ihre Bemühungen um die Beschaffung von medizinischer Ausrüstung und Schutzkleidung fortzusetzen.
Gleichzeitig verlangen die Staats- und Regierungschefs aber auch die Entwicklung einer "Ausstiegsstrategie" für die Krisenmaßnahmen. Nötig seien dafür ein "umfassender Erholungsplan und nie dagewesene Investitionen", um die wirtschaftlichen Folgen der Krise zu kompensieren, heißt es. Die EU-Kommission wird aufgefordert, dazu einen Fahrplan auszuarbeiten. (O. Karlsson--BTZ)