
Bundestagsdebatte über Abtreibungsrecht legt Zwist der Koalition erneut offen

In der ersten Bundestagsdebatte über die geplante Reform des Abtreibungsrechts sind die unterschiedlichen Auffassungen in der Koalition deutlich zu Tage getreten. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) lobte am Freitag zwar den nach monatelangem Streit vereinbarten Kompromiss, forderte aber zugleich, die Diskussion über das Abtreibungsrecht fortzusetzen. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) betonte, aus seiner Sicht seien die geplanten Rechtsänderungen unnötig.
Mit dem Gesetzentwurf soll der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches, der "Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft" verbietet, entschärft werden. Ärzte sollen gefahrlos auf ihrer Internetseite mitteilen können, dass sie Abtreibungen anbieten. Zudem soll es online eine zentrale und stets aktuelle Liste geben, auf der Ärzte und Kliniken verzeichnet sind, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, sowie die angewandten Methoden.
Barley sagte in der Bundestagsdebatte, die derzeitige Rechtslage sei sowohl für ungewollt schwangere Frauen als auch für Ärzte problematisch. Schwangere fänden oft nur schwer die nötigen Informationen, Ärzte teilten aus Sorge um eine Bestrafung oftmals nicht mit, dass die Abtreibungen vornehmen. Der Gesetzentwurf verbessere die Lage der Frauen "wesentlich" und schaffe Rechtssicherheit für Ärzte.
Zugleich betonte Barley, die angestoßene "große gesellschaftliche Debatte" über das Thema Abtreibungen insgesamt müsse fortgesetzt werden. Die Politik müsse daraus "auch in Zukunft weitere Schlüsse ziehen".
Der CDU-Politiker Frei sagte, bei dem schwierigen Thema und den "auseinanderklaffenden Vorstellungen hier im Hause und auch in der Gesellschaft" sei nichts andere möglich gewesen als der nun gefundene "schmerzhafte Kompromiss". Aus seiner Sicht müsse am Paragrafen 219a nichts verändert werden.
Aus der Opposition kam vor allem Kritik an der SPD, die ursprünglich eine weitergehende Lockerung des Abtreibungsrechts durchsetzen wollte. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae sagte, der vorgelegte Entwurf müsse eigentlich "Koalitionsfriedensrettungsgesetz" heißen. Es sei insbesondere absurd, dass Ärzte auf ihren Internetseiten die angewandten Methoden des Schwangerschaftsabbruchs weiterhin nicht mitteilen dürften, während diese auf den offiziellen Listen im Internet aufgeführt würden.
Thomae kündigte einen Änderungsantrag seiner Fraktion zu dem Gesetzentwurf an. Sollte dieser nicht angenommen werden, prüfe die FDP den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Thomae lud Linke und Grüne ein, diesen Schritt zu unterstützen.
Linksfraktionsvize Cornelia Möhring kritisierte, die Vorlage löse die Probleme des Paragrafen 219a nicht, sondern verschärfe diese womöglich noch. Offenbar sei die Koalition der Ansicht, dass ungewollt schwangere Frauen durch Sachinformationen zu Abtreibungen "zu sehr verwirrt" würden. Zugleich würden Ärzte weiterhin in ihrer freien Berufsausübung behindert.
Die Grünen-Politikerin Ulle Schauws warf insbesondere der Union vor, sie wolle Frauen weiterhin "entmündigen". Die "einmalige Chance", die Lage ungewollt Schwangerer zu verbessern und das ihnen entgegen schlagende "unerträgliche Misstrauen" zu beenden, sei vertan worden. Dagegen kritisierte der AfD-Abgeordnete Jens Maier, die SPD wolle den Paragrafen 219a weiterhin komplett abschaffen, obwohl es nicht einmal für eine Änderung Anlass gebe.
(P. Hansen--BTZ)