Polizei im Sudan treibt Regierungsgegner mit Tränengas auseinander
Die sudanesische Bereitschaftspolizei hat am Donnerstag Tränengas in eine Menge hunderter Demonstranten geschossen, die zum Präsidentenpalast in der Hauptstadt Khartum marschierten. Die Demonstranten riefen Parolen wie "Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit" und forderten den Rücktritt des seit drei Jahrzehnten regierenden Staatspräsidenten Omar al-Baschir. Durch den Tränengaseinsatz wurden die Menschen auseinandergetrieben. Vor dem Palast standen mehrere Militärfahrzeuge mit aufmontierten Maschinengewehren, wie BERLINER TAGESZEITUNG aktuell eruhr.
Proteste gegen die Regierung gab es auch in der Stadt Port Sudan am Roten Meer, in der Provinzstadt Gadaref und im Eisenbahnzentrum Atbara, dem Ausgangspunkt der Proteste. Die Regierungsgegner gehen seit dem 19. Dezember im Sudan fast täglich auf die Straße. Amtlichen Angaben zufolge wurden bei den Kundgebungen bislang mindestens 24 Menschen getötet.
Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International und Human Rights Watch sprechen dagegen von mehr 40 Toten, unter ihnen Kinder und medizinische Helfer. Unter den etwa tausend Verletzten sind Aktivisten, Oppositionelle und Journalisten.
Die Proteste richteten sich zunächst gegen eine Erhöhung des Brotpreises. Rasch weiteten sie sich zu Demonstrationen gegen al-Baschir aus. Gegen ihn besteht seit Jahren ein internationaler Haftbefehl wegen Völkermordes. Zu den Sprechchören gehört auch die Forderung "Das Volk will den Sturz des Regimes", der Slogan des Arabischen Frühlings von 2011.
Sudan liegt wirtschaftlich am Boden. In den vergangenen Monaten sind die Preise für viele Lebensmittel bereits stark gestiegen - manche um das Doppelte. Die Inflationsrate beträgt 70 Prozent. Die Regierung erhöhte den Brotpreis von einem auf drei sudanesische Pfund (von zwei auf sechs Cent). Sie macht das von den USA zwischen 1997 und 2017 gegen den Sudan verhängte Embargo für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten verantwortlich.
Als sich der Südsudan 2011 vom Sudan abspaltete, verlor Khartum überdies drei Viertel seiner Ölreserven und die dazu gehörigen Einnahmen. Für die Baschir-Gegner ist der Präsident verantwortlich für Missmanagement und enorme Ausgaben im Zusammenhang mit dem Kampf gegen verschiedene Rebellengruppen.
Der 75-Jährige schließt seinen Rücktritt kategorisch aus. Er verweist auf die Präsidentschaftswahl 2020, bei der er nach Meinung von Beobachtern erneut antreten will.
Die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet verurteilte die "Repression" der Regierung gegen ihre Gegner. Die Berichte über die "Anwendung übermäßiger Gewalt, einschließlich scharfer Munition" seien "sehr Besorgnis erregend". Bachelet forderte die Regierung auf, das Recht auf Meinungsfreiheit und friedliche Versammlung zu gewährleisten.
Das Europaparlament verabschiedete in Straßburg eine Entschließung, in der die Gewaltanwendung der sudanesischen Sicherheitskräfte entschieden verurteilt wird. Die Regierung wird aufgefordert, willkürliche Verhaftungen und Misshandlungen und "jedes weitere Blutvergießen" einzustellen.
Barbara Lochbihler, Vizepräsidentin des Menschenrechtsausschusses im EU-Parlament und außen- sowie menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DieGrünen/EFA, erklärte: "Das Parlament bedauert zutiefst, dass der Außendienst der Europäischen Union die gewaltsame Niederschlagung und Tötung von Demonstranten nicht eindeutig verurteilt. Es ist zu befürchten, dass diese Zurückhaltung in Zusammenhang steht mit der Funktion des Sudans für die europäische Migrationspolitik."
(A. Madsen--BTZ)