Hilfsappelle und Warnungen vor Eskalation bei Brüsseler Syrien-Konferenz
Mit Hilfsappellen und Warnungen vor einer neuen Eskalation hat in Brüssel die internationale Syrien-Konferenz begonnen. Vertreter von UNO und EU baten die internationale Gemeinschaft um weitere Milliarden für die Versorgung von Flüchtlingen. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura warnte vor einer humanitären Katastrophe bei Angriffen von syrischen Regierungstruppen auf die Provinz Idlib. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini kritisierte die Rolle ausländischer Mächte in dem Konflikt.
"Sieben Jahre Kämpfe, unerbittliche Bombardierungen und Beschuss, schreckliche Angriffe auf medizinische Versorgungseinrichtungen, Schulen und Märkte" hätten "zu unglaublichem Leid bei Zivilisten in Syrien" geführt, sagte Mark Lowcock, Leiter der UN-Nothilfebüros (Ocha), bei der zweitägigen Konferenz in Brüssel. Hinzu kämen Millionen Flüchtlinge in Nachbarländern Syriens, die Unterstützung bräuchten.
"Insgesamt hoffen wir morgen auf acht Milliarden Dollar" (6,5 Milliarden Euro), sagte Lowcock nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. 3,5 Milliarden Dollar würden dieses Jahr für 13 Millionen Menschen in Syrien benötig, weitere 5,6 Milliarden Euro "für Nachbarländer Syriens, die Flüchtlinge aufgenommen haben". Etwa 1,2 Milliarden Dollar davon habe die UNO bereits an Zusagen aus früheren Konferenzen.
Die eigentliche Geberkonferenz findet am Mittwoch auf Ministerebene statt. EU-Vertreter hofften im Vorfeld, dass dort das im vergangenen Jahr erzielte Ergebnis von sechs Milliarden Dollar übertroffen wird.
Der UN-Sondergesandte für Syrien warnte vor Angriffen auf die nordwestliche Provinz Idlib, in die sich viele Gegner von Machthaber Baschar al-Assad zurückgezogen haben. Es müsse sichergestellt werden, dass Idlib "nicht das neue Aleppo, das neue Ost-Ghuta wird", sagte de Mistura. Denn dort lebten 2,5 Millionen Menschen. "Die Dimensionen sind vollkommen andere."
Syrische Regierungstruppen hatten im April mit russischer Unterstützung die Rebellen-Bastion Ost-Ghuta bei Damaskus eingenommen. 2016 konnte Assads Militär bereits die nordwestliche Wirtschaftsmetropole Aleppo nach jahrelanger Belagerung zurückerobern. Experten erwarten, dass Damaskus nun verstärkt gegen die Provinz Idlib vorgehen wird. Sie ist nach sieben Jahren Bürgerkrieg das letzte große Gebiet, das sich noch weitgehend der Kontrolle durch Damaskus entzieht.
EU-Außenbeauftragte Mogherini forderte ausländische Mächte in Syrien auf, der Bevölkerung die Entscheidung über ihre Zukunft zu überlassen. "Syrien ist kein Schachbrett, kein geopolitisches Spiel", sagte sie nach Gesprächen mit syrischen Vertretern der Zivilgesellschaft. "Syrien gehört dem syrischen Volk."
Neben Russland unterstützt auch der Iran Assad militärisch. Mitte April hatte ein iranischer Regierungsvertreter gesagt, er hoffe, dass Idlib das nächste Gebiet sein werde, das mit Teherans Unterstützung "befreit" werde. Unterschiedliche Rebellengruppen wiederum werden von Staaten wie Saudi-Arabien oder den USA unterstützt. Zudem ist die Türkei gegen Kurdenmilizen im Norden Syriens einmarschiert und hatte Mitte März die Stadt Afrin eingenommen.
(L. Andersson--BTZ)