Prozess um Verschleppung von vietnamesischem Geschäftsmann begonnen
Vor dem Berliner Kammergericht hat am Dienstag der Strafprozess um die aufsehenerregende Entführung eines Vietnamesen mitten in der deutschen Hauptstadt begonnen. Der als mutmaßlicher Helfer angeklagte 47-jährige Long N. H. schwieg zum Auftakt des Verfahrens zu den Fall, der die Beziehungen zwischen Vietnam und Deutschland seit dem vergangenen Jahr belastet. Laut seinem Anwalt will er sich später äußern.
In dem Fall geht es um die mutmaßlich vom vietnamesischen Geheimdienst organisierte Entführung des Geschäftsmanns Trinh Xuan Thanh. Der ehemalige Chef eines Staatskonzerns, dem die Regierung in Hanoi Korruption zur Last legte, wurde im Juli 2017 auf offener Straße in ein Auto gezerrt und in sein Heimatland verschleppt. Wegen Korruptionsdelikten wurde er dort inzwischen zu zwei lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
Die Bundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, zwei Autos gemietet zu haben, die bei der Geheimdienstoperation genutzt wurden. Der zuletzt in Tschechien lebende Vietnamese wurde im August in dem Nachbarland festgenommen und an Deutschland ausgeliefert. Er muss sich wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Beihilfe zur Freiheitsberaubung verantworten. Für den Fall einer Verurteilung droht ihm eine jahrelange Gefängnisstrafe.
Nach Darstellung der Anklage organisierte N. H. zwei für die Umsetzung des Entführungsplans notwendige Fahrzeuge. Eines diente zur Überwachung des späteren Entführungsopfers, das als Asylbewerber versteckt in Deutschland lebte. Bei den anderen soll es sich um den Kleintransporter handeln, in den das Opfer vor etwa neun Monaten während eines Spaziergangs mit seiner Freundin am Berliner Tiergarten von Männern gezerrt wurde.
Der Geschäftsmann und die Frau seien gewaltsam in den Minivan gezogen und auf "nicht bekanntem Weg" nach Vietnam gebracht worden, sagte der Prozessvertreter der Bundesanwaltschaft, Lienhardt Weiß, am Dienstag in Kammergericht. Dem Angeklagten sei der Plan zur Verschleppung in Grundzügen bekannt gewesen. Demnach war er aber nicht direkt an der Entführung beteiligt.
Dem widersprach der Verteidiger des Angeklagten. Sein Mandant sei "das Bauernopfer", sagte Stephan Bonell. Er sei lediglich "unwissentlich beteiligt, er wusste von nichts". Ihm sei nur gesagt worden, er solle Autos für "touristische Zwecke" mieten.
Der an Geheimdienstoperationen während des Kalten Kriegs erinnernde Vorfall hatte eine Eiszeit in den Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam ausgelöst. Die Bundesregierung bezeichnete die Entführung als "Menschenraub", "völlig inakzeptablen Bruch des Völkerrechts" und "Vertrauensbruch". Sie wies deshalb unter anderem zwei vietnamesische Diplomaten aus und legte ein Partnerschaftsabkommen auf Eis.
(A. Bogdanow--BTZ)