
"Teambuilding": Merkel und Scholz heben Einigkeit der "GroKo" hervor

Jetzt soll es mit dem Regieren losgehen: Nach der ersten Klausurtagung der neuen großen Koalition haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch den Willen aller Kabinettsmitglieder zur Zusammenarbeit betont. Konkrete erste Vorhaben präsentierten sie nach der zweitägigen Klausur auf Schloss Meseberg nahe Berlin jedoch nicht.
"Das Ziel war hier, sich gegenseitig kennenzulernen, Arbeitsfähigkeit herzustellen", betonte Merkel, die auch verriet, dass es zu später Stunde Rotwein gegeben habe. Scholz bilanzierte: "Teambuilding gelungen."
Die Koalition war mit kontroversen Diskussionen etwa über den Familiennachzug für Flüchtlinge sowie atmosphärischen Verstimmungen gestartet. Merkel und Scholz bemühten sich, den Eindruck einer harmonischen und produktiven Tagung zu vermitteln.
Die SPD hatte sich im Vorfeld besonders über Innenminister Horst Seehofer (CSU) wegen seiner Äußerungen zum Islam sowie über die Einlassungen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu Hartz IV geärgert. Die Sozialdemokraten riefen die beiden Unionsminister auf, sich um ihre Aufgaben und nicht um Überschriften in den Medien zu sorgen.
"Es ist während dieser Klausurtagung deutlich geworden, dass alle Mitglieder des Kabinetts sehr willig und freudig sind, die Aufgaben anzunehmen und auch umzusetzen", berichtete Merkel. Klar sei aber auch, dass auf jeden Minister viel Arbeit zukomme. "Da bleibt nicht viel Zeit für anderes." Scholz sagte, allen Regierungsmitgliedern sei bewusst, "dass sie an Taten gemessen werden".
Als drängende Vorhaben nannte Merkel die Verabschiedung des Bundeshaushalts für das laufende Jahr, den Finanzminister Scholz am 2. Mai dem Kabinett vorlegen will. Scholz bekräftigte, dass er eine "solide Haushaltsführung" und die Einhaltung der "schwarzen Null" anstrebe. Die Kanzlerin nannte zudem eine Einigung auf eine Regelung zum Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz als unmittelbare Aufgabe.
Thema der Tagung war neben der Außenpolitik und der Dieselproblematik etwa auch die Arbeitsmarktpolitik. Konkrete Vereinbarungen beispielsweise zur Umsetzung des vereinbarten Rückkehrrechts von Teilzeit in Vollzeitarbeit nannten Merkel und Scholz nicht. Die Kanzlerin hob hervor, es sei nicht das Ziel der Klausur gewesen, "eine detaillierte Vorhabenplanung zu diskutieren".
Linken-Chef Bernd Riexinger warf der Kanzlerin und ihrem Stellvertreter vor, nichts als "Worthülsen" präsentiert zu haben. "Die drängenden Probleme in diesem Land wie prekäre Beschäftigung, Kinder- und Altersarmut, Wohnungsnot, Klimaschutz und Pflegenotstand mussten außen vor bleiben, während sich die Regierungsmitglieder ihrer Gruppentherapie widmeten", erklärte Riexinger.
FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, dass das wichtige Zukunftsthema Digitalisierung in Meseberg nicht auf der Tagesordnung gestanden habe. Die große Koalition gebe keinen Impuls, wie Deutschland seinen Wohlstand sichern könne, sagte Lindner nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG. "Tempo macht Schwarz-Rot nur beim Geldausgeben."
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bescheinigte der großen Koalition einen Fehlstart. "Mit Aufbruch, Dynamik und Zusammenhalt haben Union und SPD ihren Koalitionsvertrag betitelt, geliefert haben sie bisher vor allem Konflikt, Selbstbeschäftigung und Ausgrenzung", sagte Hofreiter nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG in einem aktuellen Interview im Hinblick auf die umstrittenen Äußerungen von Seehofer und Spahn.
(D. Meier--BTZ)