Deutschland: Mindestlohn soll auf 9,35 Euro pro Stunde ab 2020 steigen
Der gesetzliche Mindestlohn soll in zwei Stufen auf 9,35 Euro pro Stunde steigen. Die Mindestlohnkommission empfahl am Dienstag eine Anhebung der gesetzlichen Lohnuntergrenze auf 9,19 Euro ab 2019 und 9,35 Euro ab 2020. Das habe die Kommission "einstimmig entschieden", sagte der Vorsitzende Jan Zilius in Berlin. Die Gewerkschaften sprachen von einem Erfolg, die Linkspartei und Sozialverbände kritisierten die Anhebung als viel zu gering.
Der Mindestlohn war 2015 eingeführt worden und betrug damals 8,50 Euro brutto. Derzeit liegt er bei 8,84 Euro pro Stunde. Aufgabe der Mindestlohnkommission, in der Arbeitgeber und Gewerkschaften vertreten sind, ist es, regelmäßig Anpassungen vorzuschlagen. Das Gremium orientiert sich dabei am Tarifindex des Statistischen Bundesamts und an der sonstigen Tarifentwicklung.
Zilius sagte, die Kommission habe die zweistufige Anhebung gewählt, damit die Abschlüsse aus dem ersten Halbjahr dieses Jahres berücksichtigt werden könnten, etwa bei den Metallern und im öffentlichen Dienst. Außerdem werde der Anstieg für die Betriebe so "auf zwei Stufen verteilt", sie hätten damit genügend Zeit für die Umsetzung.
Der Mindestlohn soll zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmer beitragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen ermöglichen sowie die Beschäftigung nicht gefährden. Mit der nun vorgeschlagenen Erhöhung werde das erreicht, sagte Zilius weiter. Allerdings gebe es Defizite bei der Umsetzung. Deshalb sei eine "hohe Kontrolldichte" nötig, damit Verstöße aufgedeckt und geahndet werden könnten, forderte er.
Ähnlich äußerte sich das Kommissionsmitglied Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände: Die Missachtung des gesetzlichen Mindestlohns sei "kein Kavaliersdelikt, sondern ein Gesetzesverstoß". Die Arbeitgeber stünden an der Seite der Gewerkschaften, die auf eine Einhaltung pochten.
Kommissionsmitglied Stefan Körzell vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sprach von einem "Ergebnis, das sich sehen lassen kann". Der Mindestlohn bleibe aber eine "untere Haltelinie" - nötig seien "gute und möglichst umfassend geltende Tarifverträge". Die Gewerkschaft Verdi erklärte, das Ergebnis mache deutlich, "wie wichtig gewerkschaftliches Handeln für die Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohnes" sei.
Die Linke hält den Mindestlohn weiterhin für zu niedrig und sprach von einem "Mangellohn". Erwerbs- und Altersarmut würden damit zementiert, erklärte Fraktionsvize Susanne Ferschl. Die Linke fordere mindestens 12,00 Euro pro Stunde ohne Ausnahmen sowie mehr Personal für die Kontrolle zur Einhaltung der Lohnuntergrenze.
Auch der Awo-Sozialverband sprach sich für mehr Kontrollen und eine deutliche Anhebung aus. In diesem Jahr müsste der Mindestlohn demnach 12,19 Euro pro Stunde betragen, damit Vollzeitbeschäftigte nach 45 Beitragsjahren eine Rente in Höhe des Sozialhilfeniveaus erhalten. Der Paritätische forderte 12,63 Euro. In seiner jetzigen Höhe schütze der Mindestlohn nicht vor Armut.
Der SPD-Politiker Johannes Kahrs erklärte, die Erhöhung gehe zwar "in die richtige Richtung". Perspektivisch hielten die Sozialdemokraten allerdings zwölf Euro für richtig. Auch er betonte die Notwendigkeit von Kontrollen: Der dafür zuständige Zoll werde im Haushaltsjahr 2018 mit 1400 neuen Personalstellen aufgestockt.
Laut Statistischem Bundesamt teilte wurden im April vergangenen Jahres knapp 1,4 Millionen Jobs mit dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde bezahlt. Das waren rund 0,4 Millionen weniger als im Vorjahr mit dem alten Mindestlohn von 8,50 Euro. Außerdem hatten demnach 0,8 Millionen Beschäftigungsverhältnisse im April 2017 einen Stundenlohn unter 8,84 Euro, obwohl sie prinzipiell unter das Mindestlohngesetz fielen.
(F. Schulze--BTZ)