
Sudanesische Polizei setzt Tränengas gegen Demonstranten ein

Die sudanesische Polizei hat am ersten Tag des landesweiten "zivilen Ungehorsams" Tränengas gegen die Demonstranten eingesetzt. Anhänger der Protestbewegung hatten zuvor damit begonnen, den nördlichen Bezirk Bahari der Hauptstadt Khartum mit Autoreifen, Baumstämmen und Steinen zu blockieren. Sie folgten damit einem Aufruf des sudanesischen Berufsverbands SPA, der als Reaktion auf die brutale Niederschlagung eines Sitzstreiks durch die Armee zu einer "Bewegung des zivilen Ungehorsams" aufgerufen hatte.
Die Bereitschaftspolizei habe am Sonntag sofort auf die Blockade reagiert und Tränengas gegen die Demonstranten eingesetzt, sagte ein Augenzeuge nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. Die Demonstranten hätten demnach fast alle Straßen von Bahari versperrt. "Sie halten die Bewohner sogar davon ab, zur Arbeit zu gehen", sagte der Augenzeuge.
Die SPA bezeichnete die Protestform des zivilen Ungehorsams als "friedlichen Akt", um die übermächtige Armee "in die Knie zu zwingen". Sie erklärte, der Protest werde so lange andauern, bis das Militär die Macht an eine zivile Regierung übertrage.
Seit Tagen sind die Straßen in Khartum und der Stadt Omdurman am gegenüberliegenden Nil-Ufer wie leergefegt. Viele Bewohner blieben in ihren Häusern. In den meisten Vierteln fuhren keine Busse. Das Geschäftszentrum von Khartum blieb am Sonntag geschlossen, ebenso die meisten Geschäfte und Märkte in Omdurman.
Einsatzkräfte der von den Oppositionellen gefürchteten Bereitschaftspolizei RSF, die von Augenzeugen für die Auflösung des Protestlagers mit dutzenden Toten am Montag verantwortlich gemacht wird, fuhren am Sonntag mit Maschinengewehren bewaffnet durch einige Stadtteile Khartums.
Seit dem Sturz von Langzeit-Diktator Omar al-Baschir im vergangenen Dezember finden in dem ostafrikanischen Land Massenproteste statt. Die Demonstranten fordern eine zivile Regierung. Verhandlungen zwischen der Protestbewegung und den Generälen, die seit dem Sturz Baschirs die Kontrolle über das Land haben, kamen Mitte Mai zum Erliegen.
Am Freitag war der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed zu einer Vermittlungsmission nach Khartum gereist. Nach getrennten Gesprächen mit Vertretern des Militärrats und der Protestbewegung hatte er einen "schnellen" demokratischen Übergang gefordert.
(H. Müller--BTZ)