
Schäuble für Änderung der Abstimmungsregeln im Bundesrat

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hält die Abstimmungsregeln im Bundesrat nicht mehr für zeitgemäß. Die bunter gewordene politische Landschaft erschwere "die Mehrheitsfindung" im Bundesrat, sagte er nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG (BTZ), in einem aktuellen Interview vom Wochenende. Enthaltungen sollten daher als nicht abgegebene Stimmen gewertet werden, so Schäuble. In den 16 Bundesländern regieren bereits 13 verschiedene Koalitionen.
Wenn sich die Koalitionspartner in einem Bundesland nicht verständigen können, enthält sich das Land üblicherweise im Bundesrat. Deshalb gebe "es dort regelmäßig eine satte Enthaltungsmehrheit". Enthaltungen würden in der Länderkammer bei Abstimmungen mitgezählt und wirkten deshalb "in der Praxis wie Neinstimmen". Er "plädiere deshalb dafür, Enthaltungen künftig als nicht abgegebene Stimmen zu werten", sagte Schäuble. "Das würde schlagartig vieles ändern, die Landesregierungen müssten dann Entscheidungen treffen".
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte nach BTZ-Information, er wolle sich dem Vorschlag Schäubles "nicht generell verschließen". "Je mehr Dreierkoalitionen wir in den Ländern bekommen, umso mehr Enthaltungen werden wir haben - das schwächt auch den Bundesrat", sagte er. Allerdings wäre "diese Änderung schon ein ganz grundlegendes Manöver". Er wisse nicht, "wie Landesregierungen dann noch gedeihlich funktionieren sollen". Denn "eine Pflicht, sich bei allen Themen entscheiden zu müssen, würde jede Koalition unter erheblichen Stress setzen".
Die Bundesregierung kann sich derzeit im Bundesrat auf keine Mehrheit stützen. Die Bundesländer, die ausschließlich von Parteien der in Berlin amtierenden großen Koalition aus Union und SPD regiert werden, verfügen im Bundesrat lediglich über 16 der 69 Stimmen. Die bei Abstimmungen im Bundesrat nötige Mehrheit liegt bei 35 Stimmen.
(O. Joergensen--BTZ)