Ukip-Chef Nigel Farrage will mit Brexit-Partei ins EU-Parlament
Er will raus aus der Europäischen Union, aber auch wieder rein in ihr Parlament: Der frühere Ukip-Chef Nigel Farrage hofft mit seiner Brexit Party auf einen Erfolg bei der Europawahl. Das sagte er beim Wahlkampfauftakt am Freitag in Coventry.
Vor dem Referendum im Jahr 2016 war der langjährige Europaabgeordnete Farrage eine der Führungsfiguren der Brexit-Befürworter gewesen. Später zog er sich von der Ukip-Spitze zurück, behielt aber seinen Sitz in Straßburg. Von dort aus wolle er nach einem Wahlsieg mit der im Januar gegründeten Brexit Party künftig "den Parlamentariern in Westminster Angst einjagen", kündigte Farrage jetzt an.
Ob Großbritannien an der Europawahl teilnimmt, ist derzeit unklar. Nach zahlreichen Niederlagen im Parlament hofft Premierministerin Theresa May derzeit, ihr Austrittsabkommen zumindest so schnell durchs Unterhaus zu bekommen, dass ihr Land die EU vor dem Wahltermin Ende Mai verlassen kann. Dazu genehmigten ihr die anderen Mitgliedsländer bei einem Sondergipfel in Brüssel in dieser Woche einen erneuten Aufschub.
Mit Coventry hatte sich Farrage einen geschichtsträchtigen Ort für seine Ankündigung ausgesucht: Die historische Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg durch deutsche Bombenangriffe in weiten Teilen zerstört.
Der 55-Jährige sagte, er habe den Eindruck, Großbritannien sei "ein Land der Löwen, das von Eseln regiert wird". Ein Spruch, der nach hinten losging: Da Farrage und seine Parteifreunde es versäumt hatten, die Internetadresse "thebrexitparty.com" zu registrieren, tat das stattdessen eine Gruppe von Brexit-Kritikern.
Die Gruppe, die sich "Von Eseln regiert" nennt, veröffentlichte dort einen Wahlaufruf gegen Farrage. Niemand sei mehr als er verantwortlich für den heutigen Zustand des Landes, heißt es dort, und weiter: "Es ist an der Zeit, Farrage aufzuhalten."
Dasselbe Ziel hat sich auch eine Gruppe prominenter Pro-Europäer im britischen Parlament auf die Fahnen geschrieben. Bekannt als The Independent Group (TIG), verfügen die früheren Abgeordneten von Labour und Konservativer Partei über elf Sitze im Unterhaus.
Ihr Sprecher, der 40-jährige Chuka Umunna, sagte, der Brexit habe sich inzwischen als nicht umsetzbar erwiesen. Die beste Option für Großbritannien sei, ein vollständiges EU-Mitglied zu bleiben, fügte Umunna hinzu.
Viele kleine Parteien sehen die Europawahl als große Chance - auch, weil mit einem Einzug in das Parlament in Straßburg Geld an die Parteien fließt. Die Brexit Party und TIG sind bei weitem nicht die einzigen, die eine mögliche Wahlteilnahme der Briten positiv sehen. Parteienforscher sehen die Diskrepanz zwischen der Planung für einen EU-Austritt und der Vorbereitung auf eine Wahlteilnahme sogar als Impuls, der einen Umbruch in der britischen Parteienlandschaft auslösen könnte.
"Man kann sich kaum einen schlechteren Zeitpunkt für Labour und die Konservativen vorstellen, um sich der einzigen Wahl in Großbritannien zu stellen, die nach dem Verhältniswahlrecht entschieden wird", sagte Anand Menon, Professor für europäische Politik am Kings College in London. Die Europawahl könne das "Zersplittern einer Patt-Situation aus zwei Parteien" beschleunigen und Raum schaffen für neue Parteien mit europapolitischer Agenda.
(P. Rasmussen--BTZ)