Vor erwartetem Ausstieg der USA aus dem INF-Vertrag wächst Angst vor Wettrüsten
Angesichts des erwarteten Rückzugs der USA aus dem INF-Abrüstungsvertrag wächst die Angst vor einem erneuten Wettrüsten. Eine Debatte über einen solchen Rüstungswettlauf werde "Europa wieder zerreißen" und "am Ende des Tages auch schwächen", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn am Freitag in Bukarest. Das Abkommen sei "im Interesse unserer Sicherheit und der europäischen Sicherheit", warnte Russlands Vize-Außenminister Sergej Riabkow. Sein deutscher Kollege Heiko Maas warf Moskau vor, den Vertrag mit Verstößen "faktisch außer Kraft gesetzt" zu haben.
Der INF-Vertrag verbietet landgestützte Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern, die Atomsprengköpfe tragen können. Die USA und die Nato werfen Russland vor, mit seinem Marschflugkörper 9M729 gegen das Abkommen zu verstoßen. Moskau bestreitet dies.
US-Außenminister Mike Pompeo wird sich dem Vernehmen nach am Nachmittag in Washington zum INF-Vertrag äußern. Nach AFP-Informationen will die US-Regierung dann den Ausstieg aus dem Vertrag ankündigen.
Die nach dem Abkommen vorgesehene offizielle Benachrichtigung an Russland, dass der Ausstieg vollzogen wird, soll dann am Samstag erfolgen - nach Ende einer von US-Präsident Donald Trump gesetzten 60-Tages-Frist.
Maas rief beim Treffen der EU-Außenminister in Bukarest beide Seiten zum Dialog auf. Ohne den INF-Vertrag werde es in Europa weniger Sicherheit geben. Asselborn nannte es "befremdend", dass sich Russen und Amerikaner im Kalten Krieg auf den Abrüstungsvertrag geeinigt hätten und heute vor einem neuen "Wettrüsten" stünden. "Geografisch sind wir die Leidtragenden, wenn wieder Aufrüstung auf der Tagesordnung steht."
Auch Österreichs Außenministerin Karin Kneissl sagte, sie verfolge die Entwicklung "mit großer Besorgnis". Lettlands Außenminister Edgar Rinkevics zeigte "volles Verständnis" für die US-Entscheidung.
Trump hat gedroht, das 1987 geschlossene Abkommen aufzukündigen, wenn Moskau bis zum 2. Februar nicht zu den Bestimmungen des Vertrags zurückkehrt. Der Ausstieg würde nach sechs Monaten wirksam werden, wenn Russland nicht noch einlenkt.
Der Vertrag sei "notwendig", mahnte Riabkow in einem vom Fernsehen übertragenen Statement. Es sei "extrem unverantwortlich" das Abkommen durch "einseitige Aktionen zu untergraben". Das Verhalten der USA in den vergangenen Wochen zeige, "dass Washington bereits vor langer Zeit entschieden hat, sich von dem Vertrag zurückzuziehen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
Es sei Russlands Aufgabe für Aufklärung zu sorgen und das gestartete Raketenprogramm rückabzuwickeln, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. "Das ist auch weiter unsere Position, unabhängig davon, was die Amerikaner erklären." Es sei wichtig, die Abrüstung wieder auf die internationale Agenda zu setzten, auch mit neuen Akteuren wie China und Indien, erklärte der Sprecher. "Das werden wir weiter mit Hochdruck vorantreiben."
Sollte der INF-Vertrag tatsächlich scheitern, werde die Bundesregierung mit den Natopartnern beraten, welche Maßnahmen notwendig sind, um Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses weiter zu gewährleisten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
(O. Joergensen--BTZ)