Brexit-Verhandlungen sind aktuell in einer äußerst kritischer Phase
Die Brexit-Verhandlungen sind in einer kritischen Phase. Die EU-Europaminister stellten am Montag in Brüssel fest, dass noch kein Durchbruch in der schwierigen Nordirland-Frage erzielt ist. Die EU wartet nun gespannt auf London. Dort muss Premierministerin Theresa May ihr Kabinett überzeugen, einer umstrittenen Auffanglösung für die Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und Irland zuzustimmen.
"Wir sind definitiv in einer einschneidenden Phase", sagte der österreichische Europa-Staatsminister Gernot Blümel, dessen Land derzeit den EU-Vorsitz innehat, am Abend. Aber bisher seien "die Fortschritte nicht ausreichend", um einen Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschef zum Brexit einzuberufen.
Deutschland und andere EU-Mitglieder zeigten sich bei dem Treffen beunruhigt. "Die Uhr tickt", sagte Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) und fügte mit Blick auf die notwendige Ratifizierung eines Abkommens im EU-Parlament und im britischen Parlament an: "So viel Zeit haben wir nicht mehr."
Ein geplanter Vertrag für den Austritt Großbritanniens im März 2019 ist abgesehen von der Nordirland-Frage praktisch fertig. Eine endgültige Lösung für die Grenze könnte zwar erst in einer bis Ende 2020 gehenden Übergangsphase ausgehandelt werden. Die EU pocht aber darauf, dass schon jetzt im Austrittsvertrag eine Auffanglösung für den Fall festgeschrieben wird, falls diese Gespräche zu keinem Ergebnis führen.
Am Dienstag kommt in London das britische Kabinett zu seiner wöchentlichen Sitzung zusammen. May will in der Nordirland-Frage, dass Großbritannien als Ganzes in der EU-Zollunion bleibt, solange beide Seiten keine andere Lösung finden. Der deswegen im Sommer zurückgetretene Ex-Außenminister Boris Johnson warnte nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview vor einer "totalen Kapitulation" vor der EU und rief die Kabinettsmitglieder zur "Meuterei" auf.
Ein Sprecher Mays sagte in London, die Verhandlungen mit der EU seien am Montag bis in die frühen Morgenstunden gegangen. "Es gilt aber immer noch, bedeutende Probleme zu überwinden."
Aus britischen Regierungskreisen hieß es, eine Einigung müsse bis Mittwoch gefunden werden, um noch im November den EU-Sondergipfel zum Brexit einzuberufen. Ansonsten würden sich die Staats- und Regierungschefs voraussichtlich erst bei ihrem regulären Gipfel ab dem 13. Dezember mit dem Brexit befassen.
Roth nannte Mays Vorschlag zu Nordirland "eine Option". Es müsse aber verhindert werden, dass es zu "unfairen Beziehungen" im Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU komme und dass europäische Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards untergraben würden, sagte er.
May wollte ihre Auffanglösung wegen des Drucks der Brexit-Hardliner bisher auch zeitlich begrenzen, was die EU jedoch ablehnte. Brüssel scheint aber grundsätzlich bereit, Mays Vorschlag ohne das Zeitlimit und mit entsprechenden Zusicherungen bei EU-Standards zu akzeptieren.
Wie Roth bekräftigte die französische Europaministerin Nathalie Loiseau, dass sich die EU-Staaten auch auf ein Scheitern der Verhandlungen vorbereiten. Dies sei "nicht unser bevorzugtes Szenario", doch seien entsprechende Vorbereitungen im Gange.
(L. Andersson--BTZ)