
EU beunruhigt über Verzögerungen in den Brexit-Verhandlungen

Die EU zeigt sich beunruhigt über die Verzögerungen in den Brexit-Verhandlungen. "So viel Zeit haben wir nicht mehr", sagte Europastaatsminister Michael Roth (SPD) am Montag in Brüssel. EU-Chefunterhändler Michel Barnier kündigte an, seine "intensiven Verhandlungsbemühungen" in der hoch umstrittenen Frage der künftigen Grenze zwischen Irland und Nordirland fortzusetzen. Der britische Ex-Außenminister Boris Johnson rief das Kabinett von Premierministerin Theresa May zur "Meuterei" auf.
Ein geplanter Vertrag für den Austritt Großbritanniens im März 2019 ist weitgehend fertig. Es fehlt aber noch die Einigung zur künftigen Grenze zwischen Irland und Nordirland. Eine endgültige Lösung könnte zwar erst in einer bis Ende 2020 gehenden Übergangsphase ausgehandelt werden. Die EU pocht aber darauf, dass schon jetzt eine Auffanglösung festgeschrieben wird, falls diese Gespräche zu keinem Ergebnis führen.
"Eine Einigung wurde noch nicht erzielt", erklärte EU-Verhandlungsführer Barnier laut EU-Rat beim Treffen der Europaminister. Ein Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs zum Brexit wird damit im November immer unwahrscheinlicher. "Wir warten weiter auf Nachrichten aus London", sagte Belgiens Außenminister Didier Reynders. Er hoffe auf eine Einigung "vor Weihnachten".
Barnier wird am Dienstag die EU-Kommission bei ihrer wöchentlichen Sitzung in Straßburg über den Stand informieren. An dem Tag kommt wie üblich auch das britische Kabinett zusammen.
Premierministerin May will in der Nordirland-Frage, dass Großbritannien als Ganzes in der EU-Zollunion bleibt, solange beide Seiten keine andere Lösung finden. Der deswegen im Sommer zurückgetretene Ex-Außenminister Johnson warnte im "Daily Telegraph" vom Montag vor einer "totalen Kapitulation" vor der EU.
Roth nannte Mays Vorschlag "eine Option". Es müsse aber verhindert werden, dass es zu "unfairen Beziehungen" im Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU komme und dass europäische Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards untergraben würden, sagte er.
May wollte ihre Auffanglösung wegen des Drucks der Brexit-Hardliner bisher auch zeitlich begrenzen, was die EU jedoch ablehnte. Brüssel scheint aber grundsätzlich bereit, Mays Vorschlag ohne das Zeitlimit und mit entsprechenden Zusicherungen bei EU-Standards zu akzeptieren.
"Die Verhandlungen sind in einer sehr kritischen und sensiblen Phase", erklärte Irlands Außenminister Simon Coveney. Das Austrittsabkommen müsse eine "rechtlich wirksame" Auffanglösung für die Grenze zu Nordirland enthalten, forderte er.
Die EU hat ihrerseits vorgeschlagen, dass als Auffanglösung nur Nordirland bis auf weiteres in der Zollunion bleibt und einen Großteil der Bestimmungen des europäischen Binnenmarktes weiter anwendet. Dies würde aber bedeuten, dass das Vereinigte Königreich de facto geteilt würde und Grenzkontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien stattfinden müssten.
Wie Roth bekräftigte die französische Europaministerin Nathalie Loiseau, dass sich die EU-Staaten auch auf ein Scheitern der Verhandlungen vorbereiten. Dies sei "nicht unser bevorzugtes Szenario", doch seien entsprechende Vorbereitungen im Gange.
(T. Jones--BTZ)